Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
anderen Welt begann in Olivia eine Art Faszination auszuüben, die langsam in ihr anwuchs, mit der sie so vorsichtig wie mit einer schillernden Seifenblase umging. Nicht, dass sie platzte und Lenno sich vor Lachen krümmte, weil sie ihm geglaubt hatte.
„Und was gibt mir die Ehre eine solche Eintrittskarte zu erhalten? Habe ich sie wirklich gewonnen und es ist Glück? Oder Zufall? Womöglich Schicksal?“, fragte sie aufgedreht und machte beim letzten Wort Bewegungen mit ihren Fingern, als wolle sie es in Anführungszeichen setzen. Lenno zögerte, wich ihrem Blick aus und nickte dann schweigend, als hätte ihm eine innere Stimme zugeflüstert, was er nun tun sollte, und er damit einverstanden wäre.
„Wenn wir zusammen in meine Welt gehen“, sagte er schließlich, „will ich keine Geheimnisse mehr vor dir haben. Außerdem wirst du es ohnehin erfahren.“ Lenno senkte seinen Kopf, schaute zurück auf ihre Hände und lachte unvermittelt auf. „Es hat mich ganz schön getroffen, als du geglaubt hast, ich sei ein unehrlicher Mensch, der sich nicht an Absprachen hält.“
Er kannte noch ihren genauen Wortlaut?
Olivia biss auf ihre Unterlippe, denn sie bekam ein furchtbar schlechtes Gewissen. „Das habe ich nicht wirklich geglaubt, Lenno“, versuchte sie, ihre Anschuldigung herunterzuspielen.
„Nein?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich war verwirrt.“
Olivia konnte kaum nachvollziehen, was in Lennos Kopf vorging, als sie ihn dabei beobachtete, wie er mit sich selbst zu kämpfen schien. Seine gesenkten Augen hüpften nervös hin und her und eine kleine Ader trat an seiner Schläfe hervor. Als sich plötzlich sein stechender Blick auf sie richtete, jagte er ihr ein weiteres Mal einen Schrecken ein. Dann spuckte er es endlich aus: „Du hättest es aber tun sollen!“
Eigentlich hatte Olivia etwas entgegnen wollen und öffnete ihren Mund genau zu diesem Zweck. Doch was sollte man dazu sagen?
Sie drehten sich im Kreis. Was wollte er damit nur wieder andeuten?
Offenbar stand ihr die Frage ins Gesicht geschrieben, denn Lenno atmete tief durch und beantwortete sie, ohne dass Olivia sie laut gestellt hatte. „Ich erkläre es dir, wenn du mir versprichst, dass du mir vertraust und nicht einfach schreiend wegrennst.“
Sie nickte.
Seine Hände lagen unverändert auf ihren und er begann, von der Prophezeiung, die er als kleiner Junge gehört hatte, zu erzählen. Gefangen von der Atmosphäre folgte sie aufmerksam seinen Worten, während eine unaufhaltsame Unruhe in ihr erwachte, die in nur einer Frage endete: Was hatte das alles mit ihr zu tun?
„Olivia, ich wurde hierher geschickt, um die Onida Kanti zu finden. Ich wollte sie beobachten, ihr auflauern und sie dann mit in meine Welt nehmen - notfalls auch gegen ihren Willen.“
Es kribbelte auf ihrem Rücken und sie hatte das Gefühl, die Wahrheit säße ihr bereits im Nacken und lachte sie aus. „Sobald wir in deiner Welt angekommen waren, hatte Aya ihre Anwesenheit gespürt und wusste, wo sie zu finden war.“ Er lächelte sie zaghaft an. In jeder anderen Situation hätte es funktioniert, doch jetzt beruhigte dieses Lächeln Olivia keineswegs. „Zum Beobachten kam ich noch, aber bevor ich überhaupt das erste Mal an sie herankam, hattest du mich bereits gefunden und dir mein Innerstes angeeignet.“
So hatte Lenno ihre Verbindung also erlebt?
Ihre Blicke trafen sich wieder und Olivia starrte ihn verwundert an. Sie hatte etwas sagen wollen, aber es fiel ihr plötzlich nicht mehr ein.
„Unsere Begegnung änderte allerdings alles“, fügte Lenno hinzu und umfasste ihre Hände noch fester. Doch sie verstand einfach nicht, welche Rolle sie in dieser Geschichte einnehmen sollte, und schüttelte ihren Kopf.
„In meiner Welt gibt es einen äußerst skrupellosen Mistkerl, der darüber hinaus sehr mächtig ist. Er hat etwas gegen mich in der Hand. Mit ihm habe ich diesen Vertrag geschlossen, von dem ich dir erzählt habe. Es heißt, dass die Onida Kanti einem Herrscher viel Macht verleihen kann. Deshalb will er sie … will er dich in seine Gewalt bringen.“
Olivia zog ihre Hände aus Lennos Griff, drückte sich weiter in den Sessel und krallte ihre Finger in den Stoff der Armlehnen. Ihr war, als würde der Boden unter ihr beben und sie starrte entsetzt in sein versteinertes Gesicht.
„Und du bist derjenige, der mich ausliefern soll“, stellte Olivia tonlos fest, und Lenno nickte traurig.
In dem Wohnzimmer breitete sich eine Stille
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