Eternal - Die Geliebte des Vampirs
Was Fin nicht wusste, war, warum Richie vor dem Stockcarautomaten in der geschlossenen Spielhalle saß, die Hände am Steuerrad. Tot.
»Was soll ich mit dem Jungen machen, der ihn gefunden hat?«, fragte Pete.
Fin konnte den Blick nicht von dem toten Burschen abwenden. Richie Palmer war jung und gutaussehend – wie Colin Meding. Seine Kehle war von Ohr zu Ohr aufgeschlitzt – wie bei Colin Meding. Weshalb nur dachte Fin, dass Dr.Caldwell bei der Obduktion zwei Bissmarken irgendwo entlang des Schnitts entdecken würde? Wie bei Colin Meding.
»Fin?« Pete berührte ihn am Arm, um ihn aus seinen Gedanken zu reißen.
Fin wusste, dass Pete neben ihm stand, aber er erschrak trotzdem.
»Sorry«, murmelte Pete. Er wies mit dem Kinn zu dem Jungen mit der schniefenden Nase hinüber, der am anderen Ende der Spielhalle stand, so weit von Richie Palmer weg wie möglich. »Ich muss ihn hier wegbringen. Er heißt Patrick Callahan und hat die ganze Woche hier gejobbt. Er erschien um kurz vor zehn zur Arbeit, kam mit dem Schlüssel zur Hintertür herein, fand die Tür unverschlossen – na ja, und den Rest kennst du ja.« Pete sah zu dem verstörten jungen Mann und dann wieder zu Fin. »Willst du, dass ich ihn auf die Wache bringe? Er wollte, dass ich mit seinen Eltern rede. Sie sind schon unterwegs, aber sie kommen aus dem Norden von New Jersey, und das wird wohl ein paar Stunden dauern.«
Fin betrachtete den lebenden Jungen, dann kehrte sein Blick wieder zu dem toten zurück. Keiner von beiden konnte älter als zwanzig oder einundzwanzig sein. Kinder. »Ja, sicher. Bring ihn auf die Wache und rede mit ihm. Aber lass ihn nicht mehr telefonieren. Und nimm sein Handy an dich. Ich will nicht, dass er irgendjemandem davon erzählt, bis wir die Familie des Opfers erreicht haben.«
»Anscheinend gibt es nur eine Mutter. Keine Geschwister. Der Vater hat sie verlassen, als der Junge noch klein war.«
Pete sprach leise. Fin gefiel sein Auftreten. Im Augenblick war Pete viel beherrschter als er. Fin hätte am liebsten auf einen Ball eingedroschen. Auf eine Person. Die Person, die für diese Greueltat verantwortlich war. Ihm war schlecht, nicht nur wegen dieses zerstörten Menschenlebens, sondern wegen desjenigen, der das getan hatte. Wie konnte ein Mitglied des Clans so etwas tun, nach allem, was der Clan unternommen hatte, um sie alle zu erlösen? Es war ein Schandfleck auf dem guten Namen ihrer Familie. Auf den Prinzipien, für die sie einstanden.
»Die Staatspolizei wollte einen Streifenwagen schicken, um die Mutter zu benachrichtigen«, fuhr Pete fort. »Patrick sagt, dass die Mutter Krebs oder so was hat.«
Das einzige Kind ermordet. Und Krebs,
dachte Fin. Das Leben war so ungerecht zu den Menschen. »Besorg dir seine Aussage«, sagte er und nickte zu dem anderen Jungen hinüber. »Du weißt, wie du ihn anpacken musst.«
»Geht klar.«
»Danke, Pete.« Pete wandte sich zum Gehen, doch Fin rief ihn noch einmal zurück. Seine Gedanken galoppierten in so viele Richtungen davon, dass er sich wie auf einem Trip fühlte. »Und kannst du Rob Hill herbringen, wenn du eine Minute Zeit hast? Ich muss mit ihm reden. Er arbeitet hier. Wahrscheinlich weiß er, welche Leute hier verkehren.«
»Soll ich ihn hierher oder in dein Büro bringen?«
Es war nicht Fins Büro. Es war das seines Onkels, falls der jemals wieder zur Arbeit erscheinen sollte. Aber Fin wusste, dass es weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für dieses Thema war. »Nicht hierher.« Er blickte wieder auf den Toten. »Wenigstens nicht, bevor –« Er beendete den Satz nicht.
»Gut. Mach ich.«
Pete ging, um sich des kotzenden Jungen anzunehmen, während Fin sich wieder auf die Leiche konzentrierte, die am Steuer des simulierten Stockcars saß. Das Spiel lief. Automotoren röhrten. Einer der Polizisten hatte den Stecker ziehen wollen, aber Fin hatte ihn davon abgehalten. Er wollte erst den Tatort so, wie ihn der Mörder verlassen hatte, auf sich einwirken lassen. Alle anderen Spielautomaten waren ausgeschaltet, daher nahm er an, dass dieser extra angestellt worden war. Von Richie? Oder vielleicht vom Killer?
Fin nahm Richies Körper sorgfältig in Augenschein; er schob sämtliche Gefühle beiseite und überließ seinem Verstand die Oberhand. Richie Palmers Hände ruhten auf dem Steuerrad, seine Augen standen offen. Er sah wie jeder x-beliebige Collegestudent aus, der von der Strandpromenade auf ein paar Videospiele hereingekommen war. Wenn man mal von
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