Eternity
vor.
41
Samstag, 17. April, 1.00 Uhr
Apt. 11 B
910 Park Avenue, New York
Meena lag in ihrem dunklen Schlafzimmer und blinzelte zur Decke. Jack Bauer hatte sich während des Balkonzwischenfalls in ihr Schlafzimmer geschlichen und drückte seinen Kopf jetzt an ihre Schulter.
Sie versuchte, nicht an die Ereignisse zu denken, was ihr aber schwerfiel, denn im Wohnzimmer saßen die beiden Männer, unterhielten sich und schauten die DVD, die Jon mitgebracht hatte. Am liebsten hätte sie geweint.
Die leisen Geräusche aus dem anderen Zimmer schienen harmlos. Alaric und Jon hatten sich anscheinend über das chinesische Essen hergemacht und aßen mit Appetit. Meena konnte Moo Shu und gebratene Klößchen riechen. Es war ein ganz typischer Freitagabend in ihrer Wohnung, während sich draußen ein Gewitter zusammenbraute. Der Wind rauschte in den Baumwipfeln, in der Ferne grollte der Donner, und gelegentlich blitzte es.
Aber sie wusste nur zu gut, was wirklich vor sich ging. Alaric Wulf bewachte ihre Wohnungstür, damit sie nicht hinausschleichen und zu Lucien laufen konnte. Aus demselben Grund hatte er alle ihre Telefone kaputt gemacht, und sie konnte nur hoffen, dass er nicht an ihre E-Mails ging. Wenn er sich an ihrem Laptop vergriff, würde sie ihn anzeigen. Es war ihr egal, ob sein Arbeitgeber der Papst war.
Allerdings hatte Meena gar nicht vor, sich heimlich wegzustehlen.
Sie legte keinen Wert auf eine Konfrontation mit Lucien. Sie hatte sogar eine Waffe mit ins Bett genommen, eine Holzstricknadel, die sie und Leisha einmal in einem Kunsthandwerkskurs geschnitzt hatten.
Sie hielt sie fest in einer Hand und streichelte mit der anderen abwesend über Jack Bauers Kopf. Ab und zu fiel ein Streifen Mondlicht durch die Vorhänge, und dann tanzten die Schatten an der Wand.
Sie wusste nicht genau, was sie mit der Stricknadel anfangen wollte, die Idee, sie jedem Mann – menschlich oder Vampir – durchs Herz stoßen zu können, der unaufgefordert in ihr Schlafzimmer kam, beruhigte sie jedoch. Meena sah das andere Geschlecht an diesem Abend nicht gerade mit freundlichen Augen.
Sie hatte noch nicht alles verarbeitet und begriffen, was sie von Alaric gehört hatte, aber da sie müde war und schlafen wollte, schlüpfte sie in ihr kuscheligstes weißes Nachthemd. Bedauerlicherweise wollte der Schlaf nicht kommen. Sie war auf einmal hellwach und nicht wegen des Donners oder der Geräusche aus dem Wohnzimmer.
Sie konnte nur noch daran denken, dass der Mann ihrer Träume – der Mann, den sie für so perfekt gehalten hatte … der Mann, für den sie sogar in Erwägung gezogen hätte, nach Rumänien zu ziehen – ein Vampir war.
Ein Vampir! Diese blöden, fiktiven Gestalten, die sie so sehr verachtete!
Oder eigentlich nicht. Echte Vampire waren ganz anders als die fiktiven Geschöpfe. Echte Vampire taten viel schrecklichere Dinge, als ein Drehbuchschreiber sich je ausdenken könnte. Meena hatte das Gefühl, die Fotos hätten sich auf ihrer Netzhaut eingebrannt, und sie könnte sie nie wieder vergessen.
Und Lucien war der oberste Herrscher der Vampire.
Er war der Sohn von Vlad dem Pfähler. Von Dracula.
Meena verschloss die Schlafzimmertür und holte ihre alte, zerfledderte Ausgabe des Romans aus dem Regal. Sie hatte sie in ihrer Gothic-Phase auf der Highschool gekauft und wollte sie jetzt noch einmal lesen.
Aber das war ein Fehler, weil ihr alles wieder einfiel. Nicht nur die grausigen Details der Kreaturen, gegen die Alaric Wulf kämpfte, sondern auch die Tatsache, dass es im Buch eine Figur namens Mina gab! Eine Figur, die sich in Dracula verliebte und sein Blut trank! Sie wurde natürlich, wie in Romanen üblich, gerettet. Und auch ihr Name wurde anders geschrieben.
Aber trotzdem.
Warum passierte ständig ihr so etwas? Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass sie wusste, wann jemand starb, und sich emotional verpflichtet fühlte, es zu sagen. Sie musste sich auch noch in den Sohn der meistgehassten Figur der Horrorliteratur verlieben – und sich von ihm beißen lassen!
Wenn sie das alles überstanden hatte – und dass sie es überstehen würde, daran zweifelte sie nicht –, würde sie ein Buch schreiben. Sie würde sich alles von der Seele schreiben.
Frauen sind von der Venus. Vampire aus der Hölle.
Meena lag in ihrem Bett und beobachtete, wie die Schatten an der Decke tanzten. Sie war so vertieft in ihre Überlegungen, was sie wohl sagen würde, wenn Oprah fragte, warum Meena denn Lucien
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