Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ethan von Athos

Ethan von Athos

Titel: Ethan von Athos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
schluckte gezwungenermaßen die brennende, aromatische Flüssigkeit. Der muskulöse Mann ließ Ethan fallen. »Absorbiere das eine Minute lang«, sagte Okita, als hätte Ethan eine Wahl.
    Ethan klammerte sich an das Netz am Boden der Laufplanke, benommen und rülpsend, und blickte hindurch auf den metallenen Boden weit unten. Er schien zu glänzen und in langsamen Wellen von Übelkeit zu pulsieren. Ethan musste an seinen zerschmetterten Leichtflieger denken.
    Hauptmann Raus Helfershelfer lehnte sich an das Sicherheitsgeländer, blickte ebenfalls hinunter und schniefte nachdenklich. »Es ist schon komisch mit dem Fallen«, überlegte er laut. »Unberechenbar. Zwei Meter reichen aus, um einen umzubringen. Aber ich habe von einem Fall gehört, wo ein Kerl 300 Meter tief gestürzt ist und überlebt hat. Hängt davon ab, wie man unten aufkommt, denk ich mal.« Sein kühler Blick huschte über die Bucht, überprüfte die Eingänge. »Die halten hier ihre Gravitation etwas leicht. Du solltest dir lieber zuerst den Hals brechen«, entschied Okita wohlüberlegt. »Nur, um sicher zu gehen.«
    Ethan versuchte, die Finger durch das dünne Netz zu drücken, um sich festzuhalten, aber es gelang ihm nicht. Einen irren Moment lang erwog er, seinen zukünftigen Mörder mit seinem betanischen Kreditbrief zu bestechen, den seine Entführer zusammen mit allen seinen anderen Habseligkeiten sorgfältig in seine Taschen zurückgesteckt hatten, bevor sie die beiden losschickten wie ein Paar Liebende, die einen dunklen Ort für ein Stelldichein suchten. Wie einen Betrunkenen und seinen loyalen Freund, der sich bemühte, ihn zu seiner Herberge zurückzugeleiten, bevor er in seinem Suff in das Labyrinth der Station wanderte und sich verirrte: Ethan roch nach Alkohol, und sein gemurmeltes Wimmern um Hilfe war für die amüsierten Passanten in den bevölkerten Korridoren unverständlich.
    Eine Welle von Loyalität und Ekel schüttelte ihn. Nein! Er würde mit unangetasteten Finanzmitteln sterben. Außerdem sah Okita bemerkenswert unbestechlich aus. Ethan dachte, Okita wäre nicht einmal interessiert, die Exekution zugunsten einer kleinen Vergewaltigung zu verschieben. Wenigstens könnte das Geld von Ethans verstümmelter Leiche genommen und nach Athos zurückgeschickt werden …
    Athos. Er wollte nicht sterben, wagte nicht zu sterben. Die entsetzlichen Fetzen des Gesprächs seiner Verhörer, die er aufgeschnappt hatte, plagten ihn wie wilde Hunde. Die Reproduktionszentren bombardieren? Reihen von hilflosen Babies, die herabstürzten, Flammen, die aufloderten und ihre sanften Wasserbetten zum Sieden brachten – er schauderte und zitterte und stöhnte, aber seine halbgelähmten Muskeln gehorchten seinem Willen nicht. Verbrecherische, unmenschliche Pläne – so vernünftig diskutiert, so beiläufig in Gang gesetzt … hier herrschte heller Wahnsinn …
    Okita schniefte, streckte und kratzte sich, seufzte und blickte zum dritten Mal auf sein Chronometer. »Also dann«, sagte er schließlich. »Deine Biochemie dürfte jetzt genügend durcheinander sein. Zeit für deine Flugstunde, mein Junge.«
    Er packte Ethan beim Genick und beim Hosenboden und hob ihn zum Geländer hoch.
    »Warum tun Sie mir das an?«, quiekte Ethan in einem letzten, verzweifelten Versuch zur Kommunikation.
    »Befehl«, knurrte der Mann in einem Ton, der keine Diskussion mehr zuließ. Ethan starrte in die gelangweilten, ausdruckslosen Augen und ergab sich in sein Schicksal, ermordet zu werden für das Verbrechen, unschuldig zu sein.
    Okita riss Ethans Kopf an den Haaren über das Geländer und legte Ethans Hand um die Spritzflasche. Ethans verschwommener Blick fiel auf die düstere Decke der Andockbucht. Das kalte Metallgeländer grub sich in seinen Hals.
    Okita studierte die Position, reckte seinen Kopf vor und kniff die Augen zusammen. »Richtig.« Während er Ethans gebogenen Körper mit seinen Knien gegen das Geländer drückte, hob er beide Fäuste zu einem machtvollen Schlag.
    Die Laufplanke schwankte unter einem klirrenden Stoß. Die keuchende Gestalt, die mit beiden Händen einen Betäuber hielt, gab keinen Warnruf ab, sondern feuerte einfach. Sie schien vom Himmel gefallen zu sein. Der Schock des Betäubernimbus machte für Ethans Qualen keinen Unterschied mehr. Aber Okita wurde direkt getroffen und folgte der Wucht seines Schlages über das Geländer. Seine Beine schwangen hoch und glitten an Ethans Nase vorbei, er verschwand wie ein Schiff, das mit dem Bug voraus

Weitere Kostenlose Bücher