Ethan von Athos
seinen Schädel rasten und gelbe Feuerräder sich vor seinen Augen drehten. Wenigstens schien sie nicht auf derselben Seite zu sein wie seine Entführer von zuvor. Der Feind meines Feindes – mein Verbündeter …?
Sie hob ihn auf die Füße, zog seinen Arm um ihre Schulter und suchte sich vorsichtig den Weg hinab über Treppen und Leitern zum Boden der Andockbucht. Zum ersten Mal bemerkte er, dass sie einige Zentimeter kleiner war als er. Aber er hatte keine Lust, ihre Fähigkeiten in einem Ringkampf zu testen.
Als sie ihn losließ, sank er benommen auf das Deck. Sie stocherte an Okitas Körper herum, prüfte die Pulspunkte und die Verletzungen. Ihre Lippen zuckten ironisch. »Huch. Genick gebrochen.« Sie seufzte und betrachtete die Leiche und Ethan mit nahezu dem gleichen berechnenden Blick.
»Wir könnten ihn einfach hierlassen«, sagte sie. »Aber ich möchte lieber Oberst Millisor ein eigenes Rätsel zu lösen geben. Ich bin es verdammt müde, in der Defensive zu sein und stillzuhalten, immer einen Schritt hinterdrein. Haben Sie je darüber nachgedacht, wie schwierig es ist, auf einer Raumstation eine Leiche loszuwerden? Millisor schon, ganz bestimmt. Leichen machen Ihnen doch nichts aus, oder? Wo Sie doch ein Doktor sind, meine ich.«
Okitas erstarrter Blick glich genau dem eines toten Fisches, glasig vorwurfsvoll. Ethan schluckte. »Ich habe mich eigentlich mit diesem Ende des Lebenszyklus’ nicht viel abgegeben«, erklärte er. »Pathologie und Anatomie und so weiter. Deshalb habe ich mich vermutlich für die Reproduktionsarbeit entschieden. Die war … hm … hoffnungsvoller.« Er schwieg eine Weile. Gegen seinen Willen begann sein Intellekt zu arbeiten. »Ist es wirklich schwer, auf einer Raumstation eine Leiche loszuwerden? Kann man sie nicht einfach zur nächsten Luftschleuse hinausstoßen oder in ein unbenutztes Liftrohr hinabwerfen, oder so was?«
Ihre Augen leuchteten angeregt auf. »Die Luftschleusen werden alle überwacht. Wenn man etwas hinausschafft, selbst ein undefinierbares Bündel, so wird das von den Computern vermerkt. Und die Leiche würde für immer dort draußen bleiben. Der gleiche Einspruch gilt, wenn man sie zerkleinert und sie in einen Entsorger für organisches Material stopft. Achtzig und mehr Kilo hochwertiges Protein hinterlassen ein zu großes Signal in den Aufzeichnungen. Außerdem ist es schon versucht worden. Ein sehr berühmter Mordfall, vor ein paar Jahren. Die Dame ist immer noch in Therapie, glaube ich. Man würde es auf jeden Fall bemerken.«
Sie ließ sich neben ihm nieder und setzte sich mit dem Kinn auf den Knien, schlang die Arme um ihre Stiefel und bog sich, nicht zur Entspannung, sondern um die nervöse Energie zu bändigen. »Wenn es darum geht, sie als Ganzes irgendwo auf der Station zu verstecken – nun, die Sicherheitspatrouillen sind gar nichts im Vergleich zu den Ökobullen. Es gibt keinen Kubikzentimeter auf der Station, der nicht regelmäßig überprüft wird. Man könnte sie immerzu herumbewegen, aber … Ich glaube, ich habe eine bessere Idee. Ja. Warum nicht? Wenn ich schon ein Verbrechen begehe, dann soll es wenigstens ein perfektes sein. Alles, was wert ist, getan zu werden, ist es wert, gut getan zu werden, wie Admiral Naismith sagen würde …«
Sie stand auf und wanderte in der Andockbucht im Kreis herum. Da und dort wählte sie etwas von den Gerätschaften aus, mit dem leicht zerstreuten Aussehen einer Haushälterin, die auf dem Markt Gemüse auswählt.
Ethan lag in seinem Elend auf dem Boden und beneidete Okita, dessen Schwierigkeiten vorbei waren. Seiner Schätzung nach war er gerade erst knapp einen Tag auf Station Kline und hatte noch nicht einmal seine erste Mahlzeit eingenommen. Er war verprügelt worden, entführt, unter Drogen gesetzt, fast ermordet, und jetzt wurde er schnell zum Nutznießer eines Verbrechens, das vielleicht nicht genau ein Mord war, dafür aber einem Mord sehr nahekam. Das galaktische Leben war in jeder Hinsicht so schlimm, wie er es sich vorgestellt hatte. Und obendrein war er in die Hände einer Wahnsinnigen gefallen. Die Gründerväter hatten recht gehabt … »Ich möchte nach Hause«, stöhnte er.
»Na, na«, tadelte ihn Kommandantin Quinn, ließ neben Okitas Leiche eine Schwebepalette herabknallen und rollte davon einen unförmigen zylindrischen Transportkanister herunter. »Das ist doch keine Art, wenn es gerade Anzeichen gibt, dass mein Fall endlich gelöst wird. Sie brauchen bloß eine gute Mahlzeit«,
Weitere Kostenlose Bücher