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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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Verantwortung?
    Ausgelöst durch die Ermordung des ruandischen Präsidenten Habyarimana am 6. April 1994 brach in Ruanda eine Welle von Gewalttaten los, die bis Mitte Juli 1994 andauerte. In ihnen entlud sich die über Jahre angestaute Feindschaft zwischen den beiden Ethnien der Hutu und der Tutsi. Radikale Hutu, zum Teil aus der ruandischen Armee, der Präsidentengarde und der Nationalpolizei, brachten in ungefähr hundert Tagen drei Viertel der Tutsi sowie moderate Hutu ums Leben. Die Zahl der Opfer dieser humanitären Katastrophe wurde auf 800.000 bis eine Million geschätzt.
    Warum griff die internationale Gemeinschaft angesichts dieses eklatanten Völkermords nicht ein? Warum wurden die Friedenstruppen der Vereinten Nationen, die wegen des Konflikts zwischen der Regierung und der Ruandischen Patriotischen Front in der Region stationiert waren, beim Ausbruch der Gewalt nicht verstärkt, sondern reduziert? Warum entzogen sich westliche Staaten trotz ihrer Verpflichtung auf die Menschenrechte der Aufgabe, Leben und Rechte der vom Völkermord Bedrohten zu schützen? Bitter stellte der damalige kanadische Blauhelmkommandeur General Roméo Dallaire zehn Jahre nach diesen Ereignissen fest, die wahren Verräter und Mittäter seien die einzelnen Staaten und die internationale Gemeinschaft gewesen – «mit ihrer Gleichgültigkeit und ihren Eigeninteressen» (zitiert nach de Maizière 2013: 29).
    Nach dem Völkermord in Ruanda musste intensiv über eine Pflicht der internationalen Gemeinschaft nachgedacht werden, Menschen vor Völkermord, aber auch vor massiven Verletzungen ihrer individuellen Rechte zu schützen. Damit war erneut die Frage aufgeworfen, in welchenSituationen der Einsatz von militärischer Gewalt ethisch und rechtlich hinnehmbar oder sogar geboten sei.
Das Konzept des gerechten Krieges
    Die ethische Tradition antwortet auf diese Frage mit der Lehre vom gerechten Krieg. Sie geht in ersten Ansätzen auf die Antike zurück und wurde von Augustin in die christliche Ethik integriert. Seitdem wurde sie weiterentwickelt und tradiert. Ihre Zielsetzung besteht darin, moralische und rechtliche Kriterien für die Begrenzung kriegerischer Gewaltanwendung zu entwickeln. Dafür unterscheidet sie zwischen dem Recht zum Krieg und dem Recht im Krieg. Die Legitimität der Entscheidung zum Kriegseintritt wird vor allem an fünf Kriterien gemessen: der Entscheidung durch eine dazu legitimierte Autorität; einer rechtfertigenden Ursache; der Verwendung von militärischer Gewalt als äußerstem Mittel; der Ausrichtung auf das Ziel des Friedens; der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Die mittelalterliche Scholastik hat diese Kriterien im Einzelnen verfeinert. Martin Luther präzisierte die überlieferte Lehre dadurch, dass er die legitimen Gründe der Kriegführung strikt auf die Notwehr begrenzte, also nur den Verteidigungskrieg gelten ließ.
    Seit ihren Anfängen im römischen Rechtsdenken und ihrer Aufnahme in die christliche Ethik verfolgte die Lehre vom gerechten Krieg eine eingrenzende Absicht. Im Zeitalter der modernen Territorialstaaten wurden ihre Kriterien jedoch immer stärker ausgeweitet. Das Kriterium der legitimierten Autorität wurde maßgeblich, und das von Luther eingeschärfte Verbot des Angriffskriegs trat in den Hintergrund. Wenn zwei Staaten gegeneinander Krieg führten, konnte deshalb von einem gerechten Krieg von beiden Seiten die Rede sein. In den Nationalkriegen des 19. Jahrhunderts wurde die Absicht, die Kriegführung an moralische und rechtliche Kriterien zu binden, durch eine Sakralisierung des Krieges überboten. Zugleich weiteten sich die verfügbaren Gewaltmittel so aus, dass von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht mehr die Rede sein konnte. Mit dem Abwurf der ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki und der anschließenden Phase des atomaren Wettrüstens wurde die Aporie offenkundig: Wer sich an die Kriterien der Lehre vomgerechten Krieg hielt, konnte dem möglichen Einsatz von Atomwaffen nur ein klares Nein entgegensetzen.
    Angesichts der Ausweitung kriegerischer Gewaltmittel im Zeitalter der Weltkriege vollzogen die Vereinten Nationen mit ihrer Charta von 1945 einen Neuansatz des Völkerrechts, der den Abschied von der Lehre vom gerechten Krieg einschließt. Man beließ es nicht dabei, den Krieg zu ächten, sondern formulierte ein allgemeines Gewaltverbot. Zwar räumt die UN-Charta das Recht einzelner Staaten oder Staatengruppen zur Selbstverteidigung ein, doch wird das

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