Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
einer Gesellschaft gemessen werden soll.
Unter diesen fünf Dimensionen kommt der ökologischen Zukunftsfähigkeit eine besondere Bedeutung zu. Dass sie vor allem von den wohlhabenden Industrieländern verfehlt wird, zeigt sich daran, dass durch deren exzessiven Energiekonsum die globalen Kohlendioxid-Emissionen nicht in ausreichendem Maß gebunden werden können, sondern sich in einer globalen Erwärmung auswirken. Daraus ergibt sich eine vorrangige Verpflichtung wohlhabender Industriestaaten, einen schnellen und wirksamen Beitrag zur Emissionsminderung und damit zur Begrenzung des globalen Klimawandels zu leisten.
Ethisch betrachtet hat die Begrenzung des Klimawandels den Vorrang vor der Anpassung an die Veränderung des Erdklimas. Das gilt insbesondere deshalb, weil die dramatischsten Auswirkungen des Klimawandels in den Armutsregionen der Erde zu erwarten sind – unter anderem die Überflutung besiedelter Gebiete durch das Ansteigen des Meeresspiegels –, an die eine Anpassung gar nicht möglich ist. Deshalb besteht in Klimafragen eine vorrangige Verpflichtung seitens hoch industrialisierter Länder, den globalen Temperaturanstieg durch schnelle und wirksame Veränderungen in Energieverbrauch und Energieproduktion zu begrenzen.
Von vergleichbarer Dramatik ist die Herausforderung durch das wachsende Ausmaß öffentlicher Verschuldung. Um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert trat vor allem die Verschuldung von Entwicklungsländern in den Blick. Ein Programm zur Entschuldung der ärmsten Staaten des Globus wurde gefordert. Auch heute sollte die Frage im Zentrum stehen, wie die Staaten im Armutsgürtel der Erde mit ihrer schnell wachsenden Bevölkerung ihren elementaren Aufgaben gerecht werden können, ohne in einen neuen Teufelskreis der Verschuldung zu geraten; darin liegt eine zentrale Herausforderung nachhaltiger Entwicklung. Im Wohlstandsgürtel der Erde steht inzwischen die Verschuldung der USA und europäischer Staaten im Vordergrund.
Für die wachsende Beunruhigung über das Ausmaß öffentlicher Schulden in hoch entwickelten Staaten gibt es gute Gründe, denn sie bürden kommenden Generationen große Lasten auf. Unter Umständen nehmen diese Lasten die Form einer gigantischen Geldentwertung an und wirken sich damit wie eine kollektive Enteignung aus. Deshalb ist es eine Aufgabe von hohem Rang, kommende Generationen nicht mit Schuldenbergen zu belasten, die ihre Leistungsfähigkeit überfordern.Auch darin zeigt sich die Aktualität, die dem Grundsatz des Generationenvertrags zukommt.
Die Bändigung der Staatsschuldenkrise ist nur vorstellbar, wenn die Staaten sich wieder an die Regeln des Rechts halten (vgl. Kirchhof 2012: 76ff.). Das Versprechen, die Bürger bei sinkenden Steuern mit wachsenden Leistungen versorgen zu können, hat die Staaten dazu veranlasst, über Jahre gegen elementare Gebote verantwortlichen Haushaltens zu verstoßen. Die Notwendigkeit, die Folgen der Finanzmarktkrise einzudämmen, hat Freiheit und Haftung voneinander entkoppelt. Viele Staaten haben die Pflicht zur Einhaltung von Verschuldungsgrenzen verletzt. Sie haben schließlich unter Berufung auf eine außerordentliche Notsituation das Verbot ignoriert, wechselseitig für ihre Staatsschulden einzustehen. Ein Weg aus dieser Krise erfordert mehr als nur finanzpolitische Maßnahmen. Notwendig ist eine ethische Besinnung, die sich nicht auf den Verzicht auf Neuverschuldung beschränkt, sondern die Reduzierung der Gesamtverschuldung einschließt.
Die Pflicht zur verantwortlichen Gestaltung öffentlicher Haushalte ist somit keineswegs nur eine institutionsethische Forderung; sie schließt vielmehr professionsethisch den Verzicht von Politikerinnen und Politikern auf uneinlösbare Versprechungen ebenso ein, wie sie personalethisch von Bürgerinnen und Bürgern den Verzicht darauf verlangt, die eigenen Bedürfnisse auf Kosten künftiger Generationen befriedigen zu wollen.
Das Vorsichtsprinzip
Auch ein umfassendes Konzept der Nachhaltigkeit und eines zukunftsverträglichen Wohlstands gibt noch keine Antwort auf die Frage, wie mit den wachsenden Zukunftsgefährdungen umzugehen ist, die sich mit der technologischen Zivilisation verbinden. Dafür ist die Anerkennung des Vorsichtsprinzips als Grundelement politischer Verantwortung erforderlich.
Die technische Entwicklung ist mit Risiken verbunden, denen nur durch rechtzeitiges und vorausschauendes Handeln begegnet werden kann. Darin liegt ein so grundlegendes Charakteristikum einer
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