Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
christlichen Glaubens niemand ausgeschlossen ist, bildet nicht eine universale moralische Pflicht; sie ist vielmehr ein Maßstab des guten, gelingenden Lebens.
Es gab immer schon menschliche Lebensbereiche, in denen die Beteiligten berücksichtigten, dass die Folgen des eigenen Handelns noch weit jenseits der eigenen Lebenszeit spürbar sein würden. Zu ihnen gehören Forstwirtschaft und Landwirtschaft. Es ist deshalb kein Wunder, dass in diesen Bereichen zuerst über eine generationenübergreifende Verantwortung nachgedacht wurde. Hier entwickelte sich ein Bewusstsein dafür, dass die Verantwortung für unser Handeln dessen langfristige Folgen einschließt. Dafür wurde zuerst in der Forstwirtschaft das heute so beliebte Wort Nachhaltigkeit geprägt. Es bindet die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Grund und Boden an einen Generationenvertrag, dem zufolge wirtschaftlich effektives Handeln sich nicht nur am eigenen Vorteil, sondern auch am Nutzen für die Nachkommenschaft ausrichtet (vgl. Grober 2010).
Angesichts der langfristigen Auswirkungen des technisch verursachten Ressourcenverbrauchs zeigt sich heute die Aktualität eines Ansatzes, der Zukunftsfähigkeit an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit und des Generationenvertrags misst. Auch wenn die Angehörigen künftiger Generationen als noch nicht Geborene nicht Träger personaler Würde sein können, haben sie doch dergestalt Anteil an der menschlichen Würde, dass sie, wenn sie geboren werden, nicht in Verhältnisse hineinwachsen sollen, die mit ihr unvereinbar sind.
Dieser Aspekt der Nachhaltigkeit verbindet sich mit der Einsicht, dass auch die Natur nicht nur ein Instrument zur Steigerung menschlicher Machtentfaltung ist, sondern einen Eigenwert hat. Deshalb ist sie nicht nur im Blick auf die Nutzungsmöglichkeiten künftiger Generationen, sondern auch um ihres Eigenwerts willen zu bewahren.
Aus der Geschichte des Wortes Nachhaltigkeit ergibt sich eine deutliche Warnung davor, sich auf dessen ökologischen Aspekt zu beschränken. Nachhaltigkeit ist in ihrem ursprünglichen Verständnis ein Prinzip wirtschaftlich vernünftigen Verhaltens, das sich mit einem Bewusstsein von sozialer Verantwortung verbindet. Das legt nahe, den Begriff der Nachhaltigkeit in dem Dreieck zwischen Ökologie, Ökonomie undSozialem anzusiedeln. Im Anschluss an den Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung von 1987 wurden deshalb drei Dimensionen der Nachhaltigkeit miteinander verbunden: intakte Umwelt, tragfähige Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit (Hauff 1987). Darüber hinaus stellt jedoch auch kulturelle Zukunftsfähigkeit eine unentbehrliche Dimension der Nachhaltigkeit dar (vgl. Kapitel 7). Die Weitergabe des Weltkulturerbes an die kommenden Generationen ist dafür ebenso wichtig wie die Entwicklung neuer kultureller Ausdrucksformen und der Dialog der Kulturen. Deshalb sollte das geläufige Nachhaltigkeits-Dreieck zu einem Viereck weiterentwickelt werden, in dem intakte Umwelt, tragfähige Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und kulturelle Zukunftsfähigkeit miteinander verbunden sind.
Ist unser Wohlstand zukunftsverträglich?
Derzeit ist in diesem Viereck das Element der tragfähigen Wirtschaft besonders umstritten. Wenn dafür lediglich das Bruttoinlandsprodukt und dessen Wachstum als Maßstab genommen werden, ist dies offenkundig unzureichend, denn das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Person sagt nichts über die Verteilung von Einkommen und Lebensstandard in einer Gesellschaft, über Lebensqualität und Lebenserwartung. Es wird nicht einbezogen, ob dieses Bruttoinlandsprodukt sich aus der Gesundheit oder der Krankheit der Menschen speist und ob die Art, in der es entsteht, Zukunft eröffnet oder gefährdet. Man muss also einen Wohlstandsbegriff entwickeln, der die Zukunftsverträglichkeit berücksichtigt.
Das Konzept eines «Wohlstandsquintetts» bezieht den Zukunftsaspekt auf exemplarische Weise ein (Denkwerk Zukunft 2011). Es umfasst das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, die Relation zwischen dem obersten und dem untersten Fünftel der Einkommenspyramide, das Ausmaß gesellschaftlicher Ausgrenzung, den ökologischen Fußabdruck
(ecological footprint)
im Verhältnis zur globalen Biokapazität und die Schuldenquote der öffentlichen Hand. Wirtschaftliche Leistungskraft, soziale Gerechtigkeit, gesellschaftliche Integration, ökologische Zukunftsfähigkeit und Verschuldung sind die fünf Dimensionen, in denen nach diesem Vorschlag der Wohlstand
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