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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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der
Weltbevölkerung
zu halbieren; dann korrigierte man dies in der endgültigen Formulierung des ersten Millenniumsentwicklungsziels dahingehend, den
Anteil
der extrem Armen an der Bevölkerung der
Entwicklungsländer
zu halbieren (vgl. Pogge 2011: 13ff.). Im Ergebnis bedeutete dies, dass man die extreme Armut nicht mehr um die Hälfte, sondern lediglich um knapp ein Drittel verringern wollte.
    Doch trotz dieser Absenkung der Erwartungen innerhalb weniger Jahre liegt auch dieses Ziel in weiter Ferne. Das wird durch die Entwicklung der Zahl der Hungernden auf der Erde deutlich: Während diese Zahl 1996 mit 788 Millionen Menschen angegeben wurde, waren es im Jahr 2011 nach offiziellen Angaben 925 Millionen; aufgrund einer veränderten Berechnungsmethode wurde die Zahl nachträglich auf 870 Millionen Menschen korrigiert (vgl. Ziegler 2012).
    Die Diskrepanz zwischen den politischen Absichtserklärungen und der Realität kann zu Resignation führen, doch eine solche Reaktion lässt sich nicht rechtfertigen. Auf der Erde werden genug Nahrungsmittel hergestellt; pro Kopf der Weltbevölkerung entspricht die derzeitige landwirtschaftliche Produktion pro Tag 4600 Kalorien. Das könnte theoretisch sogar für 14,5 Milliarden Menschen reichen, wenn nicht ein großer Teil dieser Kalorien sich in Futtermitteln fände, wachsende Anteile für Biosprit verwendet würden, ein großer Anteil der Lebensmittel weggeworfen würde und die verfügbaren Nahrungsmittel gerecht verteilt würden.
    Lösungen müssen umfassend ansetzen. Es sind viele Dimensionen in den Blick zu nehmen; zu ihnen gehören angemessene Regierungsmethoden und die Beendigung von Korruption in den Entwicklungsländern ebenso wie eine nichtprotektionistische Landwirtschaftspolitik in den reichen Ländern. Machtzusammenballungen bei wenigen Agro-Konzernen schwächen die Handlungsfähigkeit der lokalen ländlichen Bevölkerung und erschweren deshalb die örtliche Versorgung. Die Landwirtschaft istauf Rahmenbedingungen angewiesen, die Kleinbauern und kleineren Betrieben angemessene Chancen geben. Ein umfassender Ansatz muss ökonomische, ökologische, soziale und kulturelle Aspekte miteinander verbinden.
    Etwa die Hälfte der Hungernden sind Kleinbauern, ein knappes Viertel sind Landlose. Nicht nur an der Nahrungsmittelproduktion, sondern auch am Hunger haben Frauen einen überproportionalen Anteil. Ein Schlüssel zur Überwindung des Hungers liegt infolgedessen in der Befähigung der ländlichen Bevölkerung und der Förderung von ländlichen Strukturen, damit über die reine Subsistenz hinaus auch wirtschaftliche Erträge erzielt werden. Ökologische und damit auch lokal angepasste Landwirtschaft ist dafür der vorzugswürdige Weg. Die Verbindung von Landwirtschaft und Bildung ist von großer Bedeutung.
    Das Thema ist global und doch nah bei jeder und jedem Einzelnen. Über nichts entscheiden erwachsene Menschen häufiger als darüber, was sie essen. Die Demokratie des Einkaufskorbs ist keine abstrakte Idee. Deshalb stellt sich nicht die Alternative zwischen persönlicher Verantwortung und globalen Strukturen, denn diese werden durch das Verhalten vieler Einzelner mitgeprägt. Schulen, zivilgesellschaftliche Organisationen oder Kirchen können dazu beitragen, dass die Wertschätzung von Lebensmitteln nicht in Vergessenheit gerät und auch beim Umgang mit Lebensmitteln im eigenen Land die Lebenssituation im Armutsgürtel der Erde im Blick bleibt. Entwicklungshilfeorganisationen können ihre Mittel gezielt zur Selbsthilfe einsetzen. Staatliche Entwicklungspolitik kann das erste Millenniumsentwicklungsziel – die Halbierung des Hungers – zur vorrangigen Aufgabe machen. Doch dann muss das Nötige gegen entwicklungshemmende Monopolbildungen, für faire Handelsbedingungen und für angemessene Regierungsformen getan werden.

6. Armut
    Wie lässt sich Ungerechtigkeit abbauen?
    Vindana Shiva ist eine Physikerin, die sich seit Jahren mit den Problemen der Nahrungsmittelversorgung in ihrem Heimatland Indien beschäftigt. Ihre Konzentration auf dieses Thema entstand, weil jeder vierte Inder Hunger leidet und jede dritte indische Frau falsch ernährt ist. In einem Schwellenland, dessen Einfluss in der Welt wächst, ist Hunger ein Massenphänomen. Wie in anderen Regionen der Welt ist auch in Indien vor allem die ländliche Bevölkerung vom Hunger betroffen. Dort, wo eigentlich die Voraussetzungen für ausreichende Ernährung gegeben sein müssten, fehlt es am Nötigsten. Die

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