Etwas Endet, Etwas Beginnt
runzelte die Stirn. »Und? Herr Nejman, ich hoffe, Sie sind überzeugt?«
»Nicht vollends«, sagte der Kommissar. »Tolek? Findest du …?«
»Es dürfte gut sein«, erklärte der Anwärter. »Eine Sache gibt mir zu denken. Ob wir nicht zu schnell annehmen, dass das ein psychisch Kranker ist. Es kann auch ein Grüner sein, Greenpeace, versteht ihr? Ein Tierfreund. Er hat gesehen, wie die Jungs die Katze gequält haben, und da ist er ausgerastet. Ich habe von einem ähnlichen Fall gelesen, ich glaube, im ›Przekrój‹. Dem Typen hatten sie den Hund geblendet oder die Katze, ich weiß nicht mehr. Wie ich das gelesen habe, habe ich gespürt, wie der Typ beim Schreiben darüber seine Wut, seine Trauer, seinen Rachedurst abgeladen hat. Ein anderer hätte sich anders abreagieren können. Er hätte ein Messer genommen, eine Hacke, eine Zaunlatte und seinen Hund gerächt.«
»Das kommt auf dasselbe heraus«, sagte Chęclewski. »Wer so reagiert, ist bekloppt.
Quod erat demonstrandum
.«
»Das kommt durchaus nicht auf dasselbe heraus«, nahm Nejman den Gedanken auf. »Ein Flitz in puncto Viehzeug gilt bei den Psychiatern vielleicht nicht. Aus ihrer Sicht kann der Typ völlig normal sein, und man wird auf ihn hören, wenn er erzählt, auf welche Weise wir ihn geschnappt und was wir dann mit ihm gemacht haben.«
»Ich habe in meiner Laufbahn eine Menge Leute gesehen, die erzählten, was ihnen bei der Miliz passiert ist«, sagte der Advokat mit einem schiefen Grinsen. »Aber ich kann mich an keinen erinnern, dem förmlich geglaubtworden wäre. Und sogar wenn er erzählt, auf welche Weise Sie ihn geschnappt haben, was dann? Glauben Sie, dass sich jemand wegen einer blöden Katze einen Kopf macht?«
»Vielleicht nicht«, sagte Zdyb. »Aber was, wenn diese Katze jemand hört, der mit der Sache gar nichts zu tun hat? Und wenn er gelaufen kommt, um zu sehen, was los ist?«
Nejman zuckte mit den Schultern. »Du machst Witze, Tolek. Darum würde ich mir nun gerade keine Gedanken machen. Wen kümmert denn eine Katze?«
»Apropos Katze«, sagte Chęclewski. »Wir müssen irgendeine beschaffen.«
»Das sollte kein Problem sein«, erklärte Nejman. »Katzen gibt es genug. Die Gören meiner Nachbarin beispielsweise haben eine. Die sollte sich eignen.«
Iza
Iza lag ruhig da, als fürchte sie, die geringste Bewegung könnte dieses schwindende, nicht zu fassende Signal stören, die betörende und trügerische Ankündigung des unerreichbaren Orgasmus. Der an sie geschmiegte Mann atmete gleichmäßig, er war offensichtlich schon weggedämmert. Irgendwo weit entfernt fiepte leise ein Autoalarm.
»Henryk«, sagte sie.
Der Mann zuckte, aus dem Halbschlaf gerissen, näherte sein Gesicht ihrer nackten Schulter. »Was ist, Bella?«
»Es steht schlecht um mich, Henryk.«
»Schon wieder?«, sagte der Mann erschrocken. »Verdammt, du solltest diesen deinen Zyklus endlich ein bisschen regulieren.«
»Das ist es nicht.«
Der Mann wartete eine Weile. Iza sprach nicht weiter.
»Was dann?«, fragte er schließlich.
»Henryk … Wovon sind Gedächtnislücken die Symptome?«
»Warum fragst du? Hast du welche?«
»In letzter Zeit oft. Sie sind ziemlich lang. Außerdem Halluzinationen. Akustische Täuschungen. Trugbilder.«
Der Mann schaute diskret auf die Uhr.
»Henryk.«
»Ich hab’s gehört«, murmelte er ein wenig ungeduldig. »Ja, und? Du bist Spezialistin. Wie lautet deine Diagnose?
Anaemia cerebri?
Beginnende Schizophrenie? Ein Astrozytom am Stirnlappen? Eine andere Schweinerei, die gegen das Mittelhirn drückt? Iza, jeder Psychiater findet bei sich ähnliche Erscheinungen, das ist einfach eine beruflich bedingte Abweichung. Muss ich dir sagen, wie wenig wir vom Hirn wissen, von den darin ablaufenden Prozessen? Ich denke, du bist einfach überarbeitet. Du solltest nicht so viele Stunden mit deinen Katzen zubringen, bei dieser Apparatur. Du weißt doch, wie schädlich die Hochfrequenz ist, die Felder, die Bildschirmstrahlung. Lass das alles eine Zeitlang sein, nimm Urlaub. Erhole dich.«
Iza stützte sich auf den Ellenbogen. Der Mann, der auf dem Rücken lag, strich über ihre Brust, mit einer automatischen, einstudierten Bewegung, die sie nicht mochte.
»Henryk.«
»Hm?«
»Ich möchte, dass du mich untersuchst. Mit einem EEG oder mit Isotopen.«
»Kann ich, warum nicht. Aber …«
»Bitte.«
»Gut.«
Sie schwiegen.
»Henryk.«
»Ja?«
»Elżbieta Gruber. Du behandelst sie. Was ist wirklich mit
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