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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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heruntergeklappt. Als sie erwachte, unruhig, in kalten Schweiß gebadet, warf sie sich im Halbschlaf herum wie ein Fisch an der Angelschnur, versuchte, sich zu erinnern, ob sie die Tür geschlossen hatte. Die Tür zum Bad.
    Habe ich, dachte sie, während sie wieder einschlief. Bestimmt habe ich sie geschlossen.
    Sie irrte sich. Übrigens spielte das keine Rolle.
    Der Klodeckel hob sich langsam.
    Barbara
    Barbara Mazanek hatte panische Angst vor allen möglichen Insekten und Krabbeltieren, aber wahre, adrenalinverströmende Furcht und den ganzen Körper durchzitternde Abscheu flößten ihr Ohrwürmer ein   – flinke, plattovale, braune Monster mit Zangen am Hinterleib. Barbara war fest davon überzeugt, dass diese schnellfüßigen, in jede Ritze dringenden Widerlinge nur auf eine Gelegenheit warteten, ihr ins Ohr zu kriechen und von innen her das ganze Gehirn aufzufressen. Wenn sie im Urlaub in einem Zelt übernachtete, steckte sie sich jede Nacht vorsorglich Wattepfropfen in die Ohren.
    Als sie diese Nacht unruhig erwachte, drückte sie instinktiv das linke Ohr ans Kopfkissen und legte den Arm übers rechte.
    Das spielte keine Rolle.
    Durch die undichte Balkontür begannen wie eine schmutzige, ölige Woge Milliarden von wimmelnden Insekten zu dringen und sich im Zimmer auszubreiten. Ihre kleinen Augen leuchteten rot, und die Zangen am Hinterleib waren rasiermesserscharf.
    Die Musikanten
    »Schluss«, sagte Kersten. Debbe schwieg; sie saß reglos mit weit offenen Augen da, bewegte leicht die schwarze Schwanzspitze.
    »Schluss«, wiederholte der Hund. »Itka, wir können nichts machen. Nichts. Hört ihr? Pasiburduk, hör auf, es hat keinen Sinn.«
    Der Hamster hörte auf zu spielen, erstarrte, hob den Blick aus den schwarzen Knopfaugen. So ist er nun mal, dachte Kersten, er ändert sich nicht. Alles muss man ihm zweimal sagen. Nun ja, er ist nur ein Hamster.
    Debbe schwieg. Kersten legte sich hin, die Schnauze auf den Pfoten. »Es ist misslungen, und wir brauchen es nicht weiter zu versuchen« sagte er. »Der
Schirm
ist endgültig gerissen, und wir werden ihn diesmal nicht flicken können. Sie sind durchgekommen. Die Anderen. Natürlich wird der
Schirm
bald von selbst zusammenwachsen, aber ich brauche euch nicht zu sagen   …«
    »Brauchst du nicht.« Itka bleckte die Zähne. »Brauchst du nicht, Kersten.«
    »Eine gewisse Chance hat diese Stadt noch. Solange der
Picklige
nicht auf diese Seite gekommen ist.«
    »Und andere Städte?«, warf Pasiburduk unverhofft ein.
    Kersten antwortete nicht.
    »Und wir?«, fragte die Ratte. »Bleiben wir?«
    »Wozu?«
    Itka setzte sich auf, das spitze Schnäuzchen gesenkt. »Also   … Nach Plan?«
    »Siehst du eine andere Lösung?«
    Von weitem, von der Siedlung her drang ein Geräusch zu ihnen. Eine Welle von Geräusch. Kersten sträubten sich die Haare, und Pasiburduk rollte sich zu einer rötlichen Kugel zusammen.
    »Du hast recht, Kersten«, sagte Itka. »Es ist Schluss. Wir gehen nach Bremen. Dort warten die anderen.«
    Die Ratte wandte sich Debbe zu, die noch immer reglos dasaß wie eine flauschige, getigerte Statue. »Debbe   … Was ist mit dir? Hast du nicht gehört? Schluss!«
    »Lass sie, Itka«, knurrte Kersten.
    »Du siehst aus«, zischte die Ratte der Katze zu, »als ob sie dir leidtäten. Was, Debbe? Tun sie dir leid?«
    »Was weißt du schon, Itka«, miaute die Katze leise, feindselig. »Leidtun? Kann sogar sein, sie tun mir leid. Mir tut es leid um die Berührung ihrer Hände. Um das Rauschen ihres Atems, wenn sie schlafen. Um die Wärme ihrer Knie. Es tut mir leid um unsere Musik, die ich verliere, kaum dass ich sie kennengelernt habe. Denn es ist eine unnütze Musik, und wir werden niemanden mehr damit retten. Weil in jeder Minute, in jeder Sekunde, an Tausenden von Punkten auf dem Planeten der Veehal ertönt und immer häufiger ertönen wird. Bis zum Schluss. Ihr tut mir auch leid, du, Itka, Kersten und Pasiburduk. Ihr tut mir leid, wie ihr verloren habt, zur Flucht gezwungen seid. Und ich selbst tue mir auch leid, denn ich werde ja mit euch kommen als eine von euch. Obwohl das keinerlei Sinn hat.«
    »Du irrst dich, Debbe«, sagte Kersten ruhig. »Wir fliehen nicht. Diesmal ist es uns nicht gelungen. Aber in Bremen   … in Bremen warten die anderen. Seit unvordenklichen Zeiten kommen die Musikanten in Bremen zusammen. Und wenn wir mehr sind, wird auch unsere Musik stärker sein, und eines Tages schließen wir den
Schirm
für immer, machen eine

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