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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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undurchdringliche Mauer daraus. Darum irrst du dich, wenn du glaubst, unsere Musik sei unnütz. Und dass du sie verloren hättest. Das ist nicht wahr. Und das weißt du.«
    »Die Gefühle haben deinen Verstand überwältigt, Debbe«, setzte Itka hinzu. »Was macht es, dass sich diese Stadt ein wenig entvölkern wird. Schließlich haben sie es verdient. Du aber   … denkst an die Rettung von Einzelnen. Von bestimmten Menschen, die du gernhast? Das ist irrational. Denk an die Gattung. Einzelne haben keine Bedeutung.«
    Die Katze stand abrupt auf, reckte sich, bedachte die Ratte mit einem grünen, bösen Blick, in dem für einen Moment der blutige Hass zwischen den Gattungen aufflammte. Itka zuckte nicht einmal. Sie war Musikantin, und Debbe war Musikantin. Sie sah zu, wie Debbe fortging, zwischen die Disteln und die Baldachine der Gräser, ausdauernd, stolz und unbezwungen. Bis zum Schluss.
    »Sentimentale Idiotin«, murmelte sie, als sie sicher war, dass die Katze sie nicht mehr hörte.
    »Lass sie sein«, knurrte Kersten. »Du kannst sie nicht verstehen.«
    »Ich kann.« Die Ratte bleckte die Zähne. »Aber ich will nicht. Den Grund erklären will ich auch nicht. Das Wichtigste ist, dass sie bei uns ist. Das ist eine gute Musikantin. Kersten, vielleicht sollten wir endlich losgehen?«
    »Gehen?« Der Hund lächelte. »Warum sollen wir gehen, wenn wir fahren können?«
    Dieter Wipfler
    Dieter Wipfler rieb sich mit dem Handrücken über die Augen und versuchte, das Zittern, die Übelkeit und das Schwindelgefühl zu überwinden. Er wischte die schwitzenden Hände an der Hose ab, packte das Lenkrad, fuhr los, als das grüne Licht aufflammte. Er wusste nicht, wo er war. Das war ganz gewiss nicht die Strecke nach Schwedt, auf der er sich befinden sollte.
    Die Straßen waren leer, ausgestorben, wie in einem Albtraum. Dieter Wipfler presste die Lider zusammen, fest, öffnete die Augen wieder. Was mache ich hier, dachte er, während er an einer Endstation der Straßenbahn vorbeifuhr, wo bin ich? Was mache ich hier? Was ist mit mir los, verfluchte Scheiße, ich muss krank sein. Ich habe irgendwas Giftiges gegessen. Ich muss anhalten. Ich darf in so einem Zustand nicht fahren. Anhalten. Was da am Bordstein lag, kann keine Leiche gewesen sein. Ich muss anhalten!
    Dieter Wipfler hielt nicht an. Er fuhr an der Endhaltestelle und an Kleingärten vorbei, weiter auf der Schlackestraße, an einer grässlichen Einöde vorbei, mitten in eine wüste Mondlandschaft hinein. Er fuhr, obwohl er nicht fahren wollte. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Er konnte es nicht wissen.
    Durch die mit Schlieren bedeckte, vibrierende Windschutzscheibe sah Dieter Wipfler einen spitzen, schlanken Kirchturm, aus dem Flammenzungen schlugen. Er sah hölzerne Gerüste und davon herabhängende Körper.
    Das ist unmöglich!
    Er sah einen kleinen, schwarzen Mann, der mit einem Kruzifix fuchtelte und schrie   …
    Das ist unmöglich! Ich träume!
    Locus terribilis!
    Der Sattelschlepper fuhr langsam, zerquetschte mit den Rädern die Schlacke, prägte in Lehmflecken gezähnte Reifenspuren. Auf der blauen Flanke des mächtigen Aufliegers stand eine Aufschrift aus großen, leichenweißen Buchstaben:
     
    KÜHN TEXTILTRANSPORTE GmbH
     
    Und darunter der Name der Stadt:
     
    BREMEN
    Das gelbe Zimmer
    Der Junge schlief unruhig, warf sich hin und her. Venerdina spitzte die Ohren.
    Das Etwas, das über die Wand kroch, hatte keine ständige Form   – es war ein schwarzer Fleck, ein Knäuel Finsternis, das pulsierte, sich aufblähte, das Dunkel mit langen Tentakeln durchdrang. Das Fell auf Venerdinas Rücken sträubte sich wie eine Bürste.
    Das Geschöpf, schon auf dem Fensterbrett des angekippten Fensters, blies sich auf, begann fest zu werden, sich auf krumme Beine zu stellen. Es bekam Stacheln, reckte einen stachelbewehrten Schwanz empor.
    Die Katze änderte die Stellung. Sie streckte sich leicht, reckte beide Pfoten vor, ließ die Krallen sehen. Während sie das Geschöpf mit weit geöffneten Augen anschaute, legte sie die Ohren an, verzog das Schnäuzchen, entblößte die Fangzähne.
    Das Geschöpf zögerte.
    Versuch es nur, sagte Venerdina. Versuch es nur. Du bist gekommen, um die Schlafenden zu ermorden; versuche,der die Stirn zu bieten, die wacht. Es gefällt dir, Schmerz und Tod zu verbreiten? Mir auch. Also, komm herein, wenn du es wagst!
    Das Geschöpf bewegte sich nicht.
    Fort, sagte die Katze voll Abscheu.
    Das auf dem Fensterbrett lauernde Knäuel

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