Etwas Endet, Etwas Beginnt
noch als Echo von den Wänden der Wohnblöcke wider. Und da wiederholte sich der ungeheuerliche Schrei von den Gärten her, explodierte wie eine Granate, stieg unglaublich hoch empor, bebend, abgehackt, schrecklich.
»Muttergottes!«, schrie Wenda. »Tolek! Das ist nicht die Katze!«
Zdyb sprang auf, knöpfte sich den Anorak auf, riss die Pistole aus dem Holster. Das Gebrüll – denn nun war es ein Gebrüll, kein Schrei – brach ab, barst vibrierend wie ein durchgeschnittener Stahldraht. Zdyb rannte. Er sprang über eine Hecke, schlug sich durch Stachelbeersträucher. In diesem Augenblick zerriss ein zweiter Schrei die Nacht, noch monströser als der vorherige, kurz, abgeschnitten.
»Andrzeeej!!!«, brüllte der Anwärter.
Er stürmte durch Tomatenstangen und stieß gegen ein Fass voll Wasser, prallte davon ab wie von einer Mauer, stolperte, fiel, sprang auf, rutschte aus, fiel abermals und rammte, als er sich instinktiv abzustützen versuchte, denLauf der P 83 in den nassen Boden. Hinter sich hörte er Wenda fluchen, der in einem elastischen Drahtzaun feststeckte.
»Andrzeeej!!!«
Wieder stolperte er. Er sah, worüber. Und da begann er zu schreien.
Nejman hatte keinen Kopf.
Etwas traf ihn gegen die Brust. Zdyb kniete da, atemlos, und schrie, schrie, dass es schmerzte, dass ihm das eigene Geschrei in den Ohren dröhnte. Mit einer heftigen, unkontrollierten Bewegung stieß er den Arm in dem blutigen Popeline-Ärmel von sich, aus dem ein glitschiger, glatter, sogar in der Finsternis weißer Knochen ragte.
Auf dem Rasen, vor dem Hintergrund einer deutlich sichtbaren, spärlichen Palisade von Sonnenblumen saß etwas. Etwas Großes. Groß wie ein Lkw. Der tiefblaue Himmel, von fernen Neonlichtern leicht rötlich getönt, war hinter dem Rücken des auf dem Rasen sitzenden Kolosses etwas heller geworden – es sah aus, als sei dieses riesige Etwas durch den Himmel gekrochen und habe hinter sich ein Loch und eine Strahlenschar von Rissen gelassen.
Der nächste Zug fuhr auf den Bahnübergang und hieb mit einer hellen Lichtkeule auf das Gebüsch ein. Zdyb öffnete den Mund und begann zu röcheln.
Das auf dem Rasen hockende bucklige Geschöpf mit einem gewaltigen, von Geschwulstknoten bedeckten Wanst, mit riesigen Ohren und einer länglichen, mit Zähnen besetzten Schnauze hob den Körper Chęclewskis mit den knorrigen Pfoten. Die Scheinwerfer des Zuges ließen die Gärten in tausend huschenden Schatten wabern. Zdyb röchelte.
Das Geschöpf öffnete den Rachen und biss knirschend, mit einem einzigen Zuklappen der Kiefer Chęclewski den Kopf ab und warf den Körper mit Schwung weit fort.Zdyb hörte, wie der Körper dumpf gegen eine Konstruktion aus Wellblech schlug. Als warme Welle floss ihm Urin den Schenkel hinab. Er sah nichts mehr, doch er wusste, fühlte, dass das Ungeheuer mit gleichmäßigem Schritt der kurzen, großen Pfoten auf ihn zukam.
Zdyb röchelte. Er hätte sehr gern etwas getan. Irgendetwas.
Aber er konnte nicht.
Tropfen
Die Musik, die den
Schirm
flickte, riss, brach auf, zerfiel zu elastischen Streifen. Der Riss wurde größer, von der anderen Seite krochen stinkende Dunstschwaden heran, große, streifige Zirruswolken, ein Nebel, schwanger mit einer Flüssigkeit schwer wie Auswurf, die sich mit dem sauren Smog der Stadt mischte. Auf die Dächer, den Asphalt, die Fensterscheiben, die Autos fielen die ersten, spärlichen Tropfen.
Es fielen gelbliche Tropfen, die bei der Berührung mit Metall zischten, in Ritzen und Fugen drangen, wo sie die Isolation der Kabel verbrannten und das Kupfer der Leiter zerfraßen.
Es fielen bräunliche Tropfen, groß und klebrig, und wo sie hinfielen, vergilbte das Gras, rollten sich die Blätter zusammen, wurden Stängel und Zweige schwarz.
Es fielen tintenblaue Tropfen, und wo sie hinfielen, dampfte und schmolz der Beton, kochten die Ziegel, und der Kalk floss über die Mauern wie Tränen.
Und es fielen durchsichtige Tropfen, die gar keine Tropfen waren.
Renata
Renata Wodo hatte eine harmlose Obsession, eine sonderbare Gewohnheit – wenn sie zu Bett ging, prüfte sie jedesmal, ob der Klodeckel heruntergeklappt und die Tür zum Bad geschlossen war. Ein Klodeckel, der das geheimnisvolle und feindselige Labyrinth der Kanäle und Röhren offen ließ, war eine Bedrohung, er durfte nicht offen, nicht ungesichert bleiben – es konnte ja »etwas« dort herauskommen und Renata im Schlaf überraschen.
Diese Nacht hatte Renata wie üblich den Deckel
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