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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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schlief in ihrem Bett, auf dem Rücken, den Mund halb offen, und schnarchte sacht. Sie war schon wieder in ihrem eigenen Bett.
    Monika Szreder lächelte, erfüllt von Kraft und Ruhe.
    Sie schaute zum Fenster, zu der Krüppelkiefer, wo in einer Astgabel das konzentrische Spinnennetz silbern vor Tautröpfchen schimmerte.
    Mit einer leichten, achtlosen Bewegung streckte sie die Hand aus, winkte mit dem Finger.
    Die große, fette Kreuzspinne kam sofort aus dem zusammengerollten Blatt am Rande des Netzes, ließ sich blitzschnell an einem Faden herab. Gleich darauf kroch sie schon über das Fensterbrett, die Wand hinab, über den Fußboden. An Monikas Fuß machte sie Halt, hob die beiden Vorderbeine zum Zeichen, dass sie wartete.
    Noch immer lächelnd zeigte Monika auf den offenen Mund von Elka, genannt das Schneehuhn. Ohne zu warten ging sie aus dem Haus. Sie brauchte dazu nicht die Tür zu öffnen.
    Gehorsam kroch die Spinne auf das Bett zu.
     
    Er öffnete die Augen, keuchend, von dem Alb überwältigt. Er wollte die Hand zum Mund führen und konnte es nicht. Er wollte den Kopf heben und konnte es nicht. Er war wie gelähmt. Es roch durchdringend, süß nach Blumen, er fühlte die Berührung von Blütenblättchen, Stängeln, Stacheln, nassen Blättern, überall, an den Wangen, am Hals, an den Schultern.
    Er lag in einem Haufen von Blumen.
    Monika Szreder trat näher und lächelte. Als er dieses Lächeln sah, öffnete er den Mund zu einem Schrei. Zu einem Schrei, der im Grunde das ganze Feriendorf auf die Beine bringen musste, die ganze Stadt Tleń und sogar die Feuerwehr im fernen Laskowice. Doch was aus seiner Kehle drang, die von einem unsichtbaren Würgeisen zusammengepresst wurde, war ein kaum hörbares, verzweifeltes Krächzen.
    Monika Szreder kam noch näher, blieb vor ihm stehen,flüsternd, und in diesem Flüstern lag eine pulsierende Leidenschaft, ein wahnsinniger, wütender Ruf, eine überwältigende Kraft. Er reagierte, entsetzt darüber, dass er es tat. Er hörte das Flüstern immer deutlicher.
     
    Ich kam gegangen
    Hin zur Aue
    Mein Trauter harrte schon am Ort
    Wie ward ich empfangen
    O Himmelsfraue!
    Dass ich bin selig immerfort
    Ob er mich küsste? Wohl manche Stund.
    Tandaradei!
     
    Sie zog sich langsam aus, ohne Eile und immer noch lächelnd. Er schaute sie an, die Augen aufgerissen, dass es geradezu schmerzte. Und bis zum Schmerz war er der Ihre.
    Als sie ihn berührte, erbebte er, als habe man ihm ein glühendes Schüreisen auf die Brust gedrückt. Als sie ihn umarmte und die Schenkel um ihn schlang, war ihm, als werde ein Eimer flüssigen Sauerstoffs über ihn ausgegossen. Er sah ihre Augen direkt über sich.
    »Sieh, wie ist so rot mein Mund.«
     
    »Und, Herr Doktor?«
    »Eine massive Blutung. Eine Ader im Hirn ist geplatzt. Er hat sich übernommen, der Casanova.«
    »Das heißt, Sie glauben   …«
    »Die Obduktion wird es bestätigen. Aber aus dem, was ich sehe, schließe ich, dass es ein schöner, männlicher Tod war. Er ist im Kampfe gestorben, auf dem Schlachtfeld, sozusagen.«
    »So jung? Er war noch keine vierzig, schätze ich.«
    »Junge Leute haben auch schwache Adern, Herr Kazik. Nun ja, ein romantischer Typ war das, sehen Sie nur diese Blumen. Was für eine Phantasie, verdammt. Er hat Blumen aufs Bett gestreut, und auf diesen Blumen hat er sie   …«
    »Hol’s der Teufel. Was soll ich jetzt machen? Jetzt werde ich sie ja ausfindig machen müssen, dieses Weib, das bei ihm war. Und wie? Soll ich umhergehen und fragen?«
    »Wozu? Seit wann ist das strafbar? Das war eine Blutung, sage ich Ihnen. Das hätte ihm auch bei der Arbeit oder beim Trinken passieren können.«
    »Na ja   … eine Zeugenaussage oder irgendein Protokoll müsste man schreiben. Aus dem, was Sie sagen, folgt, dass sie bei ihm war, als   … Sie wissen schon.«
    »Klar war sie das. Ein Wunder, dass sie da selber keinen Schock gekriegt hat. Aber was soll’s. Ich gehe den Transport rufen, ich werde ihn nicht mitnehmen. Und Sie suchen halt dieses Weibchen, wenn Sie Lust dazu haben. Und sei es anhand der Spuren.«
    »Welcher Spuren?«
    »Ein Sherlock Holmes sind Sie nicht gerade. Schauen Sie auf die Blumen, aufs Kissen.«
    »Tu ich. Und was?«
    »Das da ist ein Abdruck ihres Kopfes.«
     
    Der Zug aus Czersk, der nach Laskowice fuhr, traf pünktlich ein, hielt am Bahnsteig, kaum dass die wütend rasselnde Klingel an der Sperrschranke verklungen war. Der Bahnsteig war leer, nur drei Angler mit Tornistern, Rucksäcken

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