Etwas Endet, Etwas Beginnt
und röhrenförmigen Futteralen für die Angeln stiegen über die eisernen Stufen in den Waggon.
Sie verteilten das Gepäck auf Borden und Sitzen, schälten sich aus den dicken Anoraks, die sie trugen, obwohlder Morgen warm und sonnig war. Einer holte aus einer Tasche seiner phantasievollen Weste eine Schachtel Zigaretten, hielt sie den anderen hin.
Doch die Gefährten des Anglers saßen reglos da und starrten die junge Frau an, die schräg gegenüber, auf der anderen Seite des Ganges, den Kopf leicht über ein Buch beugte.
Der Angler erstarrte mit ausgestreckter Hand. Er konnte den Blick nicht abwenden. Denn diese Frau war … sie war … geradezu unwahrscheinlich … unglaublich …
Schön.
Die Erzählung
»Im Bombentrichter«
wurde für eine Anthologie geschrieben. Die Anthologie hat leider nicht das Licht der Welt erblickt. Und wie es dazu kam, will ich erzählen. So um den Februar Anno Domini 1992 brachte der Briefträger einen Brief von Rafał A. Ziemkiewicz, dem bekannten Schriftsteller und Politiker; kurz darauf aber erhielt ich einen zweiten Brief – von Jacek Inglot, dem bekannten Schriftsteller und Kritiker. Der Tenor beider Briefe war ähnlich. Die Welt ringsum ist verkommen, käuflich und krank, schrieben die bekannten Persönlichkeiten, sie kreischt, dabei sollte sie doch gleich nach dem Systemwechsel zu jubilieren anheben wie der Vöglein voll und zugleich leise murmeln wie ein Gebirgsbächlein. Unsere Pflicht als Schriftsteller ist es, schrieben sie, zu reagieren. Nach dem Vorbild Bonapartes. Verzeihung, nach dem Vorbild von Janusz A. Zajdel. Zajdel protestierte, entlarvte, verhöhnte und verdammte – natürlich das
ancien régime
. Obwohl das Regime jetzt neu zu sein scheint, schrieben sie, gibt es immer noch etwas, wogegen man protestieren kann, das man entlarven und verdammen kann. Also ans Werk, Streiter der Feder, lasst uns eine Anthologie
zusammenstellen und herausgeben. Eine Zajdel’sche Anthologie.
Ich nahm die Sache ernst, obwohl ich mich – unter uns gesagt – bemühte, mich an die Verkommenheit der Welt ringsum zu gewöhnen; von der Wirklichkeit erwartete ich nichts anderes als Gekreisch, Illusionen hatte ich mir nie gemacht, also empfand ich jetzt auch keine schmerzliche Enttäuschung. Aber bitte, dann eben eine Anthologie, ein anständiger Autor verweigert sich keiner Anthologie und ignoriert sie nicht, und ich war sowieso schon im Rückstand – es hatte von mir keine Erzählung in der
Schwarzen Messe
gegeben, der turnusmäßigen Anthologie Wojtek Sedeńkos von 1991. Dabei war ich es gewesen, der sich den Titel
Schwarze Messe
ausgedacht und die Idee zu dieser »antiklerikalen« Anthologie geliefert hatte – aber als es ans Schreiben ging, erwies ich mich wohl als nicht antiklerikal genug. Ha, dachte ich, diesmal gebe ich mich nicht geschlagen. Ich ging zügig ans Werk und schrieb zu dem von Ziemkiewicz und Inglot vorgegebenen Termin eine Erzählung. Andere schrieben auch welche. Zur Einschätzung und Bewertung der Erzählungen in Hinsicht auf ihre Eignung für die Anthologie fand sich eine spezielle Kommission zusammen. Heute würden wir sagen – eine Evaluierungskommission. Der Ertrag der Auslese waren … zwei Erzählungen. Zwei: »Im Bombentrichter« vom Verfasser selbigens sowie »Schön ist’s im Tal« von Rafał Ziemkiewicz. Doch aus zwei Erzählungen, wie leicht zu begreifen ist, lässt sich keine Anthologie zusammenstellen.
Die geplante Anthologie hatte vorgesehen, dass den Erzählungen Einführungen der Autoren vorangehen sollten, die dies und jenes erläuterten. »Im Bombentrichter« wurde natürlich auch mit solch einer Einführung versehen. Ich zitiere sie hier
in extenso
.
Unsere Phantastik-Anthologien haben sich schon zwei Traditionen zugelegt. Die erste ist, dass Anthologien nach dem Prinzip des Großen Preises von Pardubice geschrieben werden, also Startschuss und los geht’s. Die Schnellsten kommen aufs Siegerpodest und erhalten den Titel eines »führenden Autors der polnischen SF«. Die anderen fallen in den Vorläufen aus oder stürzen an den ersten Oxern. Diesen letzteren bleibt nur noch, die Kräfte für mörderische Rezensionen zu sammeln.
Die zweite Tradition ist es, den Erzählungen Autorenkommentare voranzustellen: Der Verfasser verrät, wo er die Idee her hat, was er damit sagen wollte, legt allerlei Geständnisse ab. Manchmal fügt der Autor der Erzählung ein Motto hinzu. Das Motto soll den
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