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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Kuvert, aber Archie riss es ihr ohne viel Federlesens aus der Hand, erbrach das Siegel.
    »Ihre Majestät Königin Mab etc. etc.«, las er vor, »lädt zur Teilnahme an einer Partie Croquet ein, und zwar   …« Er warf uns einen Blick zu. »Heute.« Er zuckte mit den Barthaaren. »Sie haben es also erfahren. Die dämliche Fledermaus hat es herumerzählt, und sie haben es erfahren.«
    »Wunderbar!« Alice Liddell klatschte in die Hände. »Eine Croquetpartie! Mit einer Königin! Kann ich jetzt gehen? Es wäre unhöflich, zu spät zu kommen.«
    Der Hutmacher räusperte sich laut. Archie drehte den Brief in den Pfoten. Dormousse begann zu schnarchen. Edgar schwieg und sträubte die schwarzen Federn.
    Plötzlich fasste ich einen Entschluss und stand auf. »Haltet sie hier fest, so lange es geht. Ich bin gleich wieder da.«
    »Mach keine Dummheiten, Chester«, murmelte Archie. »Du kannst nichts machen, selbst wenn du an den Ort gelangst, woran ich zweifle. Es ist zu spät. Mab weiß von ihr, sie wird sie nicht fortlassen. Du kannst sie nicht retten. Es geht nicht.«
    »Wollen wir wetten?«
     
    Der Wind von Zeit und Raum pfiff mir noch immer in den Ohren und zauste mir das Fell, und der Erdboden, auf dem ich stand, wollte um nichts in der Welt aufhören zu beben. Gleichgewichtssinn und die harte Realität vertrieben jedoch rasch und konsequent den
horror vacui
, der mich die letzten paar Augenblicke hindurch begleitet hatte. Der Schwindel wich, wenn auch widerwillig, die Augen gewöhnten sich allmählich an die euklidische Geometrie.
    Ich schaute mich um.
    Der Garten, in dem ich gelandet war, war ein wirklich englischer Garten, das heißt elendiglich zugewachsen und voller Sträucher. Irgendwo von links her roch es ein bisschen nach Morast, und immer mal wieder ertönte ein kurzes Knaken, woraus ich schloss, dass auch ein Teich in der Nähe sein musste. In der Tiefe schienen die Lichter der efeuberankten Fassade eines nicht besonders großen einstöckigen Hauses.
    Im Grunde war ich mir meiner Sache sicher, also dessen, dass ich den richtigen Ort und die richtige Zeit getroffen hatte. Aber ich wollte mich lieber vergewissern.
    »Ist hier jemand, zum Teufel?«, fragte ich ungeduldig.
    Ich brauchte nicht lange zu warten. Aus dem Dunkel tauchte ein rötlicher, getigerter Herr auf. Er sah nicht nach dem Besitzer des Gartens aus, obwohl er sich größte Mühe gab, so auszusehen. Dumm war er nicht, offensichtlich hatte man ihm in seiner Jugend auch etwas Manieren und
savoir vivre
beigebracht, denn als er mich erblickte, begrüßte er mich höflich, indem er sich hinsetzte und den Schwanz um die Pfoten legte. Ha, ich möchte sehen, wie irgendwer von euch Menschen ebenso gefasst auf das Erscheinen eines Wesens aus eurer eigenen Mythologie reagiert. Und eurer Dämonologie.
    »Mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte ich kurz und knapp.
    »Russet Fitz-Rourke der Dritte,
Your Grace

    »Das«   – mit einer Bewegung des Ohres deutete ich an, was ich meinte   – »ist natürlich England?«
    »Natürlich.«
    »Oxford?«
    »In der Tat.«
    Ich hatte es also getroffen. Die Ente, die ich gehört hatte, schwamm sicherlich nicht auf einem Teich, sondern auf der Themse oder dem Cherwell. Und der Turm, den ich bei der Landung gesehen hatte, war der Carfax Tower. Der Haken war nur, dass der Carfax Tower bei meinem letzten Besuch in Oxford genauso ausgesehen hatte, und das war 1645 gewesen, kurz vor der Schlacht bei Naseby. Ich hatte damals König Charles geraten, auf alles zu pfeifen und nach Frankreich zu fliehen.
    »Wer regiert derzeit Britannien?«
    »In England Merlin von Glastonbury. In Schottland   …«
    »Ich frage nicht nach den Katzen, Dummkopf.«
    »Verzeihung, Euer Gnaden. Königin Victoria.«
    Sehr gut. Obwohl, andererseits   – das Weib hatte vierundsechzig Jahre lang regiert, 1837 bis 1901.   Es konnte immer noch sein, dass ich das Ziel ein wenig nach vorn oder hinten verfehlt hatte. Ich hätte den Rötlichen einfach nach dem Datum fragen können, aber das kam nicht in Frage, wie ihr euch denken könnt. Womöglich kam er auf den Gedanken, ich sei nicht allwissend. Das Prestige, wie man sagt, geht über alles.
    »Wem gehört dieses Haus?«
    »Venera Whiteblack   …«, begann er, korrigierte sich aber sofort. »Das heißt, der menschliche Besitzer ist Herr Dekan Henry George Liddell.«
    »Gibt es Kinder? Ich frage nicht nach den Kindern von Venera Whiteblack, sondern nach denen Liddells.«
    »Drei

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