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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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dachte er. Für etwas Ähnliches, eine weitaus harmlosere Berührung mit einer weißen Frau, war er vor zwei Jahren gnadenlos geprügelt worden, bis aufs Blut.
    »Niemand sieht uns.« Die Frau schien seine Gedanken lesen zu können. »Und ich wollte dir ein paar Fragen stellen, biblischer Ishmael Sassamon. Die erste lautet: Ist dir bewusst, dass du keineswegs Ishmael Sassamon heißt?«
    »Nein«, stellte sie fest, als er nicht antwortete, als sein dunkles, grob geschnittenes Gesicht nicht einmal zuckte. »Und von welchem Stamm du kommst, weißt du das? Antworte.«
    »Passamaquoddy.«
    In der Mitte des Holzschuppens, zwischen Splittern und Spänen, stand ein großer Hackklotz. Faith Clarke bückte sich und legte ein paar Gegenstände darauf. Ishmael Sassamon zuckte zusammen. Innerlich. Nach außen hin ließ er nicht die mindeste Überraschung erkennen.
    Ein Wampum aus weißen und purpurfarbenen Muscheln.Drei zusammengebundene Adlerfedern. Und ein Pokomokon, eine kantige Keule aus Hartholz.
    »Es ist wahrlich eine interessante«, fuhr die Frau fort, wobei sie ihn aufmerksam betrachtete, »und zugleich betrübliche Wendung des Schicksals, dass ausgerechnet du als Spürhund für den Nachkommen eines baptistischen Predigers und einer Prostituierten aus dem East End dienst, die man beide aus dem Gefängnis in Newgate geholt, auf ein Schiff verfrachtet und in die Neue Welt verbannt hat. Denn du bist kein Passamaquoddy, und dein Name ist nicht Ishmael.«
    Auch diesmal ließ sich der Indianer nichts anmerken.
    »Du bist kein Passamaquoddy, und dein Name ist nicht Ishmael«, wiederholte Faith Clarke in singendem Tonfall. »Du bist von der Elchsippe, aus dem Stamm der Wampanoag, und du heißt Pokumtuk, Sohn des Wahunsa, der der Sohn von Ninigret war. Diejenige, die du für deine Mutter hältst, hat deinen wahren Namen und deine Herkunft verheimlicht, damit niemand erfährt, dass du ein Kind von Menomini bist, der Schwester von Metacomet, des großen Sachems der Wampanoag. Ja, ja, desselben, den die Jengis König Philipp nannten, den Anführer des großen Aufstandes im Jahre 1675.   Desselben, dessen Name unter den Jengis noch immer Furcht erregt. Bei dem sie an Blut und Brand denken.«
     
    Eia ei ei, eia ei
    Eia ei, ho oho ei
    Ate, heie lo
    Ate, heie lo
     
    Er bemerkte nicht einmal, in welchem Augenblick er sich zu wiegen begann und leise in den Singsang einfiel.
    »Zittert, Jengis! Es kommen die Wampanoag, es kommendie Narranganset, es kommen die Nauset, es kommen die Krieger der Nipmuk und der Pequot! Rache! Wir werden euer Blut fließen lassen, Jengis, wir werden euch im Meer versenken, über das ihr gekommen seid, um unser Land zu stehlen, um uns zu ermorden und mit Krankheiten anzustecken. Rache! Ein guter Weißer ist ein toter Weißer! Erinnerst du dich, Pokumtuk, Sohn des Wahunsa? Du warst erst sechs Jahre alt, aber du musst dich erinnern! Wie das Blut der Jengis unter den Messern und Tomahawks der Krieger floss, wie sie aufgeschreckt umherliefen, wie ihre Ansiedlungen in Flammen aufgingen! Du musst dich erinnern, wie das Feuer auf den Dächern von Swansea, Taunton, Middlefrantic tobte, wie Brookfield, Hadley, Northfield, Deerfield, Medfield und Wrentham brannten   …«
     
    Eia ei ei, eia ei
    Akue-de, ate lo
    Aia-ku, eia ho
    Ate, eia ho
     
    »Es brannten«, fuhr die Frau fort, nun schon in der Sprache, an die Ishmael sich mit Mühe wieder zu erinnern begann, »nicht nur ihre Häuser. Das Feuer verzehrte ihre englischen Namen. Die von den Jengis umbenannten Orte wurden im Feuer gereinigt, wiedergeboren, wurden wieder zu dem, was sie gewesen waren: Opechancanough, Nonantum, Natick, Kiskimin, Pohkopopuk, Wapange, Massapequa, Muttamussimsack, Tawakoni, Lapowinsa   …«
     
    Eia ei ei, eia ei
    Eia ei, ate lo
    Ate, heia lo
    Ate, eia ho
     
    »Doch bald schon brachen die Hoffnungen zusammen, der Sieg wurde zur Niederlage und die Niederlage zum Gemetzel. Den großen Sachem Metacomet, genannt König Philipp, ermordete heimtückisch ein von den Jengis gekaufter Verräter. Deinen Vater, Wahunsa, der verwundet war, erstachen die Jengis mit Spontons in den Großen Sümpfen von Okeefenokee. Deiner wahren Mutter, Menomini, der Tochter von Kinikwa, zerschmetterten sie den Kopf mit einem Musketenkolben. Nimm den Wampum. Nimm den Pokomokon. Nimm auch dies.«
    Ishmael Sassamon   – Pokumtuk   – erblickte auf dem Hackklotz einen Tomahawk. Und ein Messer, ein schönes, langes, scharfes Stahlmesser, von der Art, wie es einst die

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