Etwas Endet, Etwas Beginnt
Schwein. Ich fühlte mich ekelhaft. Die Lider waren mir schwer wie Blei, und in Armen und Ellenbogen nahm die schmerzhafte Taubheit zu. Branwens Weinen hörte ich wie durch eine Wand aus Holzbalken, dieordentlich mit Moos abgedichtet ist. Im Kopfe dröhnte mir ein dumpfer, wogender Schmerz.
Wie bin ich auf diese Dünen geraten? Woher komme ich und wohin will ich? Branwen … Ich hatte diesen Namen schon einmal gehört. Aber ich konnte … ich konnte mich nicht erinnern …
Mit tauben Fingern berührte ich die Vertiefung am Kopf, die alte Narbe, die Spur jenes schrecklichen Hiebes, der mir den Schädel geöffnet und die umgebogenen Ränder des gespaltenen Helms hineingetrieben hatte.
Was Wunder, dachte ich, dass ich mit so etwas manchmal eine Leere im Kopf habe? Was Wunder, dass der schwarze, zu einem trüben Lichtschein führende Korridor aus meinen Träumen mich anscheinend auch im Wachen heimsucht?
Mit einem Schniefen und Räuspern gab mir Branwen zu verstehen, dass es Zeit sei. Ich überwand die Trockenheit in der Kehle. »Reiten wir?«, fragte ich, absichtlich trocken, fest, um meine Schwäche zu überspielen.
»Ja«, antwortete sie ebenso trocken. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ritter?«
»Was ist, Dame?«
»Du verachtest mich, nicht wahr?«
»Nein.«
Sie wandte sich heftig ab, trieb das Pferd an, den Weg durch die Dünen entlang, zu den Felsen hin. Ich folgte ihr. Ich fühlte mich schlecht.
Mir war, als röche es nach Äpfeln.
II
Ich mag keine verschlossenen Tore, herabgelassenen Fallgitter, hochgezogenen Zugbrücken. Ich mag es nicht, wie ein Idiot vor einem stinkenden Burggraben zu stehen. Ich hasse es, mir die Lunge aus dem Hals zu schreien, wenn ich den Kriegsknechten antworte, die von den Zinnen und aus Schießscharten heraus unverständliches Zeug rufen, und dabei nicht zu wissen, ob sie mich beschimpfen, verspotten oder nach dem Namen fragen.
Ich hasse es, meinen Namen zu nennen, wenn ich keine Lust dazu habe.
Es traf sich daher gut, dass das Tor offen war, das Gitter hochgezogen und die auf Hellebarden und Partisanen gestützten Knechte nicht allzu eifrig. Noch besser traf es sich, als der in Samt gekleidete Mann, der Branwen auf dem Hof begrüßte, sich mit ein paar Worten von ihr begnügte und nicht nach mir fragte. Er reichte Branwen höflich die Hand und hielt den Steigbügel; höflich wandte er den Blick ab, als beim Absitzen unter dem Rock Wade und Knie zum Vorschein kamen. Höflich bedeutete er uns, ihm zu folgen.
Das Schloss war entsetzlich leer. Wie ausgestorben. Es war kalt, und der Anblick der schwarzen, erloschenen Kamine bewirkte, dass einem noch kälter wurde. Branwen und ich warteten in einem großen, kalten Saal, inmitten von schrägen Lichtstreifen, die durch die spitzbogigen Fenster fielen. Wir warteten nicht lange. Eine niedrige Tür quietschte.
Jetzt, dachte ich, und der Gedanke flammte in meinem Schädel auf wie ein weißes, kaltes, blendendes Feuer und ließ für einen Augenblick die lange, nicht endende Tiefe des schwarzen Korridors sehen. Jetzt, dachte ich. Jetzt kommt sie herein.
Sie kam. Sie.
Iseult.
Es ging wie ein Ruck durch mich, als sie eintrat, als sie in dem dunklen Türrahmen weiß aufschien. Ob ihr es glaubt oder nicht, auf den ersten Blick war sie nicht von jener, der irischen Iseult zu unterscheiden, meiner Verwandten, Iseult Goldhaar von Átha Clíath, der Tochter des Diarmuid mac Cearbhaill, des Königs von Tara. Erst der zweite Blick ließ die Unterschiede erkennen: das Haar einen Schein dunkler und ohne die Neigung, sich zu Locken zu kringeln. Die Augen grün, nicht blau, rund, ohne jene einzigartige Mandelform. Ein anderer Ausdruck des Mundes. Und die Hände.
Ihre Hände waren eigentlich sehr schön. Ich denke, sie war die höflichen Vergleiche mit Alabaster oder Elfenbein gewohnt, mir jedoch verbanden sich das Weiß und die Glätte dieser Hände mit den im Halbdunkel brennenden, vor Hitze durchscheinend gewordenen Kerzen in der Kapelle von Ynis Witrin in Glastonbury.
Branwen machte einen tiefen Knicks. Ich beugte ein Knie, den Kopf gesenkt, hielt ihr mit beiden Händen Schwert und Scheide entgegen. Wie es der Brauch verlangte, bot ich ihr meine Klinge dar. Was immer das bedeuten mochte.
Sie antwortete mit einer Verbeugung, berührte das Schwert mit den Spitzen der schlanken Finger. Ich durfte nun aufstehen. Das Herkommen erlaubte es. Ich gab mein Schwert dem Samtgekleideten, wie es der Brauch
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