Etwas Endet, Etwas Beginnt
sich ebenfalls mit Diamanten gefüllt. Ach, die Weiber …
»Also geh zu ihm, liebe Branwen«, sprach Iseult bitter. »Gehe und bringe ihm, was ich in deinen Augen sehe. Aber sei auf das Schlimmste gefasst. Denn wenn du an seinem Bett niederkniest, wird dir Tristan einen Namen ins Gesicht schleudern, der nicht deiner ist. Er wird ihn dir ins Gesicht schleudern wie einen Schimpf. Geh. Die Diener werden dir den Weg zeigen.«
Ich blieb mit ihr allein, als Branwen hinter dem Knecht hinausging. Nicht gezählt den Kaplan mit der glänzenden Tonsur, der über die Gebetsbank gebeugt lateinisches Kauderwelsch vor sich hinmurmelte. Ich hatte ihn vorher nicht bemerkt. War er schon die ganze Zeit hier gewesen? Zum Teufel mit ihm. Er störte mich nicht.
Iseult, die noch immer unwillkürlich die Finger ihrer weißen Hände gegeneinanderdrückte, schaute mich prüfendan. Ich suchte in ihrem Blick Feindseligkeit und Hass. Denn sie musste es ja wissen. Wenn man eine lebende Legende heiratet, lernt man diese Legende in den kleinsten Einzelheiten kennen. Und ich, verdammt, war gar nicht so klein.
Sie schaute mich an, und in ihrem Blick lag etwas sehr Seltsames. Dann zog sie den langen Rock um die schmalen Hüften und setzte sich in einen geschnitzten Sessel, die schmalen Hände um die Armlehnen geklammert.
»Setz dich hier neben mich«, sagte sie, »Morholt von Ulster.«
Ich setzte mich.
Über meinen Zweikampf mit Tristan von Liones kursieren viele unwahrscheinliche, von A bis Z erlogene Geschichten. In einer machen sie aus mir sogar einen Drachen, den Tristan besiegte, womit er den formellen Anspruch auf Iseult Goldhaar errang. Gut, was? Sowohl romantisch als auch eine schöne Rechtfertigung. Einen schwarzen Drachen hatte ich tatsächlich auf dem Schild, vielleicht kommt es daher. Aber jeder weiß ja, dass es seit den Zeiten von Cuchulainn in Irland keine Drachen mehr gibt.
Eine andere Geschichte besagt, dass der Kampf in Cornwall stattfand, noch ehe Tristan Iseult kennenlernte. Das ist nicht wahr. Das hat sich ein Minnesänger ausgedacht. Tatsache ist, dass mich König Diarmuid zu Marke nach Tintagil entsandt hatte; ich war mehrmals dort und habe mich wirklich heftig wegen des Tributs gestritten, der Diarmuid von dem König Cornwalls zustand, weiß der Teufel, nach welchem Recht – um Politik habe ich mich nicht geschert. Aber damals bin ich niemals Tristan begegnet.
Ich habe ihn auch nicht getroffen, als er zum ersten Mal in Irland war. Ich lernte ihn erst bei seinem zweiten Besuchkennen, als er erschien, um für Cornwall um die Hand der Goldhaarigen zu bitten. Marke, der Sohn Meirchions, ein Vetter des Großen Arthur, wünschte unsere Iseult zur Herrin von Tintagil zu machen. Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, schied sich der Hof Diarmuids in Befürworter und Gegner dieser Verbindung. Zu den Letzteren gehörte ich. Offen gesagt, ich hatte keine Ahnung, worum es eigentlich ging; wie schon gesagt, neigte ich weder zur Politik noch zu Intrigen. Es war mir gleichgültig, wem Iseult zur Frau gegeben wurde. Aber ich liebte das Kämpfen und verstand mich darauf.
Der Plan, soweit ich ihn verstand, war einfach; er konnte im Grunde nicht als Intrige gelten. Wir sollten Markes Brautwerbung zunichte machen, die Verbindung mit Tintagil verhindern. Gab es eine bessere Methode, als den Gesandten kaltzumachen? Ich fand eine Gelegenheit, legte mich mit Tristan an und beleidigte ihn, und er forderte mich. Er mich, wohlgemerkt. Nicht umgekehrt.
Wir schlugen uns in Dún Laoghaire, am Ufer der Bucht. Ich dachte, ich würde rasch mit ihm fertigwerden. Auf den ersten Blick übertraf ich ihn zweifach an Gewicht und mindestens zweifach an Erfahrung. So kam es mir jedenfalls vor.
Meinen Irrtum erkannte ich gleich beim ersten Zusammentreffen, als wir die Lanzen brachen. Mir wäre fast das Kreuz gebrochen, so warf er mich gegen die Sattellehne; es fehlte nicht viel, und er hätte mich mitsamt dem Pferd zu Boden geworfen. Als er wendete und, statt eine zweite Lanze zu verlangen, das Schwert zog, freute ich mich – Lanzen haben es an sich, dass mit ein wenig Glück und einem guten Ross ein junger Kerl sogar einen erfahrenen Ritter zu Bruch gehen lassen kann. Das Schwert ist auf lange Sicht gerechter.
Wir hieben ein wenig auf unsere Schilde ein. Er warstark wie ein Stier, stärker, als ich angenommen hatte. Er kämpfte klassisch –
dexter, sinister,
oben-unten, Schlag auf Schlag, sehr schnell, und diese Schnelligkeit erlaubte mir
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