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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Satteltaschen los und wirf sie hier auf den Weg. Dazu bitte deinen Geldbeutel. Und den Mantel. Beachte, wir verlangen weder das Pferd noch die Rüstung. Wir wissen, wo die Grenze ist.«
    »Leider«, sagte der Mürrische und kniff widerwärtig die Augen zusammen, »müssen wir dich auch um diese Dame bitten. Für einige Zeit.«
    »Ach ja, das hätte ich fast vergessen.« Bec de Corbin bleckte die Zähne. »Wirklich, wir brauchen dieses Weib. Du verstehst schon, Ritter, die Einöde, die Einsamkeit   … Ich habe schon vergessen, wie eine nackte Frau aussieht.«
    »Aber ich kann’s nicht vergessen«, sagte der mit der Armbrust. »Ich seh’s jede Nacht, kaum dass ich die Augen zumache.«
    Ich musste wohl unwillkürlich gelächelt haben, denn Bec de Corbin schob mir mit einer heftigen Bewegung den Spieß vors Gesicht, und der andere hob die Armbrust an die Wange.
    »Nein«, sagte Branwen plötzlich. »Nein, das muss nicht sein.«
    Ich schaute sie an. Sie war ein Stück erbleicht, vom unteren Rand des Gesichts bis zum Mund. Doch ihre Stimme war ruhig, kalt, beherrscht.
    »Das muss nicht sein«, wiederholte sie. »Ich will nicht, dass du meinetwegen umkommst, Ritter. Mir ist auch nicht daran gelegen, dass sie mich zusätzlich grün und blau schlagen und mir die Kleidung ruinieren. Letzten Endes, was ist das schon   … Viel verlangen sie nicht.«
    Ich wunderte mich nicht mehr als die Räuber. Ich hätte es mir denken können. Was ich für Kälte gehalten hatte, für Ruhe, für unerschütterliche Selbstbeherrschung, war einfach Resignation. Ich kannte das.
    »Wirf ihnen deine Satteltaschen hin«, fuhr Branwen fort, »und reite. Ich bitte dich. Eine Viertelmeile von hier ist ein Kreuz an der Weggabelung. Dort wartest du auf mich. Ich denke, es wird nicht lange dauern.«
    »Man trifft nicht alle Tage auf so vernünftige Leute«, sagte Bec de Corbin und senkte den Spieß.
    »Schau mich nicht so an«, flüsterte Branwen. Zweifellos musste etwas in meinem Gesicht sein, obwohl ich glaubte, mich recht gut zu beherrschen.
    Ich griff hinter mich und tat so, als löse ich den Riemen der Satteltaschen, dabei zog ich unbemerkt den rechten Fuß aus dem Steigbügel. Ich hieb dem Pferd den Sporn in die Seite und trat Bec de Corbin so ins Gesicht, dass er nach hinten fiel und dabei mit dem Spieß balancierte wie ein Seiltänzer. Während ich das Schwert zog, senkte ich den Kopf, und der auf meine Kehle gezielte Bolzen schlug laut gegen die Helmkalotte, glitt ab. Ich versetzte dem Mürrischen einen Hieb von oben, eine schöne, klassische Sinister, und der Sprung des Pferdes erleichterte es mir, die Klinge aus seinem Schädel zu reißen. Das ist gar nicht so schwer, wenn man weiß, wie es gemacht wird.
    Bec de Corbin hätte sich, wenn er gewollt hätte, in die Dünen verdrücken können. Er wollte nicht. Er dachte, er könne mir, ehe ich das Pferd zu wenden vermochte, den Spieß in den Rücken bohren. Er irrte sich.
    Ich schlug ihm mit einem weit geführten Hieb über die Hände, die den Spieß hielten, und dann noch einmal, über den Bauch. Ich hatte tiefer gezielt, aber es gelang mir nicht. Niemand ist vollkommen.
    Auch der Armbrustschütze war kein Feigling; anstatt zu fliehen, spannte er die Sehne erneut und versuchte zu zielen. Ich hielt das Pferd an, packte das Schwert in der Mitte der Klinge und warf es. Es gelang. Er fiel so hübsch, dass ich nicht abzusteigen brauchte, um meine Waffe wieder zu ergreifen.
    Branwen, den Kopf über den Pferdehals gebeugt, weinte, schluchzte. Ich sagte kein Wort, machte keine Geste. Ich tat nichts. Ich habe keine Ahnung, was man tun muss, wenn eine Frau weint. Ein gewisser Barde, den ich in Dinas Dinlleu kennengelernt hatte, in Gwynedd, behauptete, das beste Mittel sei, dann selbst loszuweinen. Ich weiß nicht, ob er scherzte oder im Ernst sprach.
    Ich wischte die Schwertklinge sorgfältig ab. Unter dem Sattel habe ich einen Lappen bei mir, den ich bei solchen Gelegenheiten benutze. Das Abwischen der Klinge beruhigt die Hände.
    Bec de Corbin warf sich hin und her, stöhnte und mühte sich zu sterben. Ich hätte absitzen und ihm den Rest geben können, aber ich fühlte mich nicht besonders gut. Außerdem hatte ich weiter kein Mitleid mit ihm. Das Leben ist grausam. Mit mir, soweit ich mich entsinnen konnte, hatte auch niemand Mitleid gehabt. So war es mir zumindest vorgekommen.
    Ich nahm den Helm ab, die Kettenhaube und das Käppchen. Es war ganz nass. Ich hatte geschwitzt, sage ich euch, wie ein

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