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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Ein Mal, ein einziges Mal. So sehr verlangt mich danach. Fordere nicht, dass ich nach den Segeln jenes Schiffes schaue. Bitte mich nicht, dir zu sagen, welche Farbe sie haben. Zwinge mich nicht, in deiner Legende eine Rolle zu spielen, die ich nicht spielen will.
    Ich kann nicht, dachte Tristan. Ich kann nicht. Iseult Goldhaar   … Wie schrecklich kalt mir ist   … Iseult   … Iseult   … Meine Iseult   …
    Das ist nicht mein Name, dachte Iseult. Das ist nicht mein Name.
    »Das ist nicht mein Name!«, schrie sie.
    Tristan schlug die Augen auf, blickte um sich, wobei er den Kopf auf dem Kissen hin und her warf. »Herrin   …«, stieß er mit einem pfeifenden Flüstern hervor. »Branwen   … Morholt   …«
    »Wir sind alle hier«, sagte Iseult sehr leise.
    Nein, dachte Tristan. Iseult ist nicht hier. Also   … ist es so, als ob niemand hier wäre.
    »Herrin   …«
    »Fordere nicht   …«, flüsterte sie.
    »Herrin   … Bitte   …«
    »Fordere nicht, dass ich nach den Segeln schaue, Tristan. Zwing mich nicht, dir zu sagen   …«
    »Ich bitte dich   …« Er spannte sich. »Bitte   …«
    Und da sagte er es. Anders. Branwen zuckte in meinen Armen zusammen.
    »Iseult.«
    Sie lächelte. »Ich wollte den Lauf der Legende ändern«, sagte sie sehr ruhig. »Was für ein wahnsinniger Gedanke. Legenden kann man nicht ändern. Nichts kann man ändern. Nun ja, fast nichts   …«
    Sie verstummte, schaute mich an, Branwen, die wir noch immer umarmt dastanden, hinter uns den auf einem Gobelin gestickten Apfelbaum von Avalon. Sie lächelte. Ich wusste, dass ich dieses Lächeln niemals vergessen würde.
    Langsam, ganz langsam trat sie zum Fenster, blieb stehen, stützte die ausgestreckten Hände gegen die beiden Flanken des Spitzbogens.
    »Iseult«, stöhnte Tristan. »Was   … Was für   …«
    »Sie sind weiß«, sagte sie. »Weiß, Tristan. Weiß wie Schnee. Leb wohl.«
    Sie drehte sich um. Ohne ihn anzuschauen, ohne jemanden in der Kammer anzuschauen. In dem Augenblick, da sie aus der Kammer ging, hörte ich ihre Gedanken nicht mehr. Ich hörte nur das Meer rauschen.
    »Weiß!«, rief Tristan. »Iseult Goldhaar! Endlich   …«
    Die Stimme erlosch ihm in der Kehle wie eine erstickte Flamme im Kamin. Branwen schrie auf. Ich lief zum Bett. Tristan bewegte sacht die Lippen. Er versuchte sich aufzurichten. Ich hielt ihn fest, zwang ihn mit leichtem Druck zurück auf die Kissen.
    »Iseult«, flüsterte er. »Iseult. Iseult   …«
    »Bleib liegen, Tristan. Steh nicht auf.«
    Er lächelte. Beim Lugh, ich wusste, dass ich dieses Lächeln nie würde vergessen können.
    »Iseult   … Ich muss es selbst sehen   …«
    »Bleib liegen, Tristan   …«
    »…   dieses Seg…«
    Branwen, die am Fenster stand, wo eben noch Iseult Weißhand gestanden hatte, schluchzte laut auf. »Morholt!«, rief sie. »Dieses Schiff   …«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Branwen   …«
    Sie drehte sich um.
    »Er ist tot.«
    »Was?«
    »Tristan ist gestorben. In diesem Augenblick. Das ist das Ende, Branwen.«
    Ich schaute zum Fenster. Das Schiff war näher als zuvor. Aber immer noch zu weit entfernt.
    Entschieden zu weit, als dass man die Farbe des Segels erkennen könnte.
    XIII
    Ich traf sie im großen Saal, dort, wo uns Iseult Weißhand begrüßt hatte. In dem Saal, wo ich ihr mein Schwert zu Diensten geboten hatte, sie gebeten, über mein Leben zu verfügen. Was immer das bedeuten mochte.
    Ich hatte Iseult und den Kaplan gesucht, gefunden hatte ich die anderen.
    Sie waren zu viert.
    Ein gewisser walisischer Druide namens Hwyrddyddwg, ein kluger alter Knacker, hat mir einmal gesagt, dass die Absichten eines Menschen, und wenn er sie noch so schlau verberge, immer von zwei Dingen verraten würden   – von seinen Augen und seinen Händen. Also achtete ich wachsam auf Augen und Hände der Ritter, die in dem großen Saal standen.
    »Ich bin Sir Mariadoc«, sagte der größte von ihnen. Auf dem Waffenrock trug er ein Wappen: auf silbern undrot schräggeteiltem Feld zwei Eberköpfe. »Und das sind die guten Ritter Gwydolwyn, Anoeth und Deheu ap Owein. Wir kommen aus Cornwall mit einer Botschaft für Sir Tristan von Liones. Führt uns zu ihm, Herr Ritter.«
    »Ihr kommt zu spät«, sagte ich.
    »Wer seid Ihr?« Mariadoc runzelte die Stirn. »Ich kenne Euch nicht.«
    In diesem Augenblick kam Branwen herein. Mariadocs Gesicht verzerrte sich, Wut und Hass traten darauf hervor, wanden sich wie

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