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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Schlangen.
    »Mariadoc.«
    »Branwen.«
    »Gwydolwyn, Anoeth, Deheu. Ich hätte nicht gedacht, euch noch einmal zu sehen. Denn es heißt, dass Tristan und Corvenal euch seinerzeit im Wald von Morois erledigt hätten.«
    Mariadoc lächelte böse. »Die Wege des Schicksals sind unerforschlich. Ich hätte auch nicht gedacht, dich noch einmal zu sehen, Branwen. Schon gar nicht hier. Nun, führt uns zu Tristan. Was wir für ihn haben, duldet keinen Aufschub.«
    »Woher die Eile?«
    »Führt uns zu Tristan«, wiederholte Mariadoc wütend. »Wir haben etwas mit ihm zu klären. Nicht mit seinen Dienern. Und nicht mit den Kupplerinnen der Königin von Cornwall.«
    »Woher kommst du, Mariadoc?«
    »Aus Tintagil, wie ich es gesagt habe.«
    »Seltsam.« Branwen lächelte. »Denn das Schiff ist noch nicht eingetroffen. Aber es ist schon nahe. Willst du wissen, unter welchem Segel es fährt?«
    »Nein«, sagte Mariadoc ruhig.
    »Ihr kommt zu spät.« Branwen, die noch immer dieTür versperrte, lehnte sich an die Mauer. »Tristan von Liones ist tot. Er ist soeben gestorben.«
    Mariadocs Augen änderten nicht einmal einen Moment lang den Ausdruck. Mir wurde klar, dass er es gewusst hatte. Alles wurde mir klar. Das Licht, das ich am Ende des dunklen Korridors sah, wurde immer heller.
    »Geht fort«, knurrte ich und legte die Hand an den Schwertgriff. »Verlasst das Schloss. Auf der Stelle.«
    »Wie seid ihr hergekommen?«, fragte Branwen lächelnd. »Nicht vielleicht mit dem Boot ohne Steuer? Mit einem schwarzen, zerrissenen Fetzen statt eines Segels? Mit dem Wolfsschädel, der an den hochgezogenen Bug genagelt ist? Wozu seid ihr hergekommen? Wer schickt euch?«
    »Geh aus dem Weg, Wasserleiche. Behindere uns nicht, denn du könntest es bereuen.«
    Branwens Gesicht war ruhig. Doch diesmal war es nicht die Ruhe von Machtlosigkeit und Resignation, die Kälte verzweifelter, fühlloser Gleichgültigkeit. Diesmal war es die Ruhe eines unerschütterlichen, eisernen Willens. Nein, ich durfte sie nicht verlieren. Um keinen Preis.
    Um keinen? Und die Legende?
    Ich roch Äpfel.
    »Seltsame Augen hast du, Mariadoc«, sagte Branwen plötzlich. »Augen, die das Licht des Tages nicht gewohnt sind.«
    »Geh uns aus dem Weg.«
    »Nein. Ich werde dir nicht aus dem Weg gehen. Erst wirst du mir eine Frage beantworten. Die Frage lautet: Warum?«
    Mariadoc rührte sich nicht. Er schaute mich an.
    »Es wird keine Legende von einer großen Liebe geben«, sagte er, aber ich wusste, dass gar nicht er es war, derda sprach. »Unnütz und schädlich wäre so eine Legende. Ein unnötiger Wahnsinn wäre der Sarg von Beryll und der Weißdorn, der daraus hervorwächst, um mit seinen Zweigen einen anderen Sarg zu umschlingen, der von Chalzedon ist. Wir wollen solche Särge nicht. Wir wollen nicht, dass die Geschichte von Tristan und Iseult unters Volk kommt, dass sie ein Beispiel und Vorbild ist, dass sie sich jemals wiederholt. Wir werden nicht zulassen, dass irgendwo, irgendwann junge Leute zueinander sagen: ›Wir sind wie Tristan und Iseult.‹«
    Branwen schwieg.
    »Wir werden nicht zulassen, dass so etwas wie die Liebe dieser beiden in Zukunft die Geister vernebelt, die zu höheren Dingen bestimmt sind. Denn sie würde die Arme schwächen, deren Aufgabe es ist, zu zerbrechen und zu töten. Denn sie würde die Charaktere erweichen, die die Macht in stählernen Zangen festhalten müssen. Und vor allem, Branwen, werden wir nicht zulassen, dass das, was Tristan und Iseult verbindet, als eine triumphierende Liebe in die Legende eingeht, eine Liebe, die die Hindernisse überwindet, die Liebenden sogar noch im Tode verbindet. Darum muss Iseult von Cornwall weit von hier sterben, gewöhnlich, im Kindbett, während sie wieder einen Nachkommen König Markes zur Welt bringt. Tristan aber, wenn er es geschafft hat, sich vor unserem Eintreffen elend davonzumachen, muss am Grund des Meeres ruhen, mit einem Stein am Halse. Oder verbrennen. O ja, es wird viel besser sein, wenn er verbrennt. Von dem versunkenen Liones sind an der Oberfläche des Meeres die Gipfel des Scillies geblieben, von Tristan aber darf nichts bleiben. Und das Schloss Carhaing muss zusammen mit ihm in Flammen aufgehen. Und das sofort, nachdem das Schiff aus Tintagil in die Bucht einläuft. Und genau so wird es sein. Anstatteines Sarges von Beryll eine stinkende Brandstätte. Anstatt einer schönen Legende die hässliche Wahrheit. Die Wahrheit von der selbstgefälligen Blindheit, von dem Marsch über

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