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Etwas ist faul

Etwas ist faul

Titel: Etwas ist faul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schwieg eine Minute – bestürzt über dieses plötzliche Ungestüm. Es war ein dicker Mann, der immer noch etwas keuchte, als wäre er etliche Meter gerannt. Sein Haar war bürstenartig geschoren, und er trug einen Bart nach hohenzollernscher Art. Sein Akzent klang unmissverständlich guttural, und seine steife Haltung verriet, dass er sich in Uniform wohler fühlte als ohne. George besaß das den Briten angeborene echte Vorurteil gegenüber Ausländern – und eine besondere Abneigung für deutsch aussehende Ausländer.
    »Was, zum Teufel, wollen Sie eigentlich, Sir?«, wiederholte er ärgerlich.
    »Sie ging hierher«, sagte der andere. »Ich habe sie gesehen. Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    George schleuderte die Zeitung von sich und zwängte Kopf und Schultern durch das Fenster. »Das also ist der Grund, was?«, brüllte er. »Erpressung! Nur sind Sie dabei an den Falschen geraten. Ich habe Ihre Geschichte heute Morgen bereits in der Daily Mail gelesen. Hallo, Schaffner – Schaffner!«
    Von Weitem bereits auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden, eilte der Beamte herbei.
    »Hier, Schaffner«, sagte Mr Rowland mit jenem Anflug von Autorität, den die niederen Klassen so bewundern. »Dieser Kerl belästigt mich. Falls notwendig, werde ich ihn der Erpressung beschuldigen. Behauptet, ich hätte seine Nichte hier versteckt. Eine regelrechte Bande, lauter Ausländer, probiert es mit derartigen Tricks. Man sollte dagegen einschreiten. Führen Sie ihn ab, ja? Hier ist meine Karte, falls Sie sie haben wollen.«
    Der Schaffner blickte vom einen zum anderen. Seine Überlegungen waren wenig später abgeschlossen. Seine Ausbildung hatte zur Folge, dass er Ausländer verabscheute, gut gekleidete Gentlemen hingegen, die erster Klasse reisten, achtete und bewunderte. Er legte seine Hand auf die Schulter des Störenfrieds.
    »Sie«, sagte er, »kommen Sie da runter.«
    In diesem kritischen Moment versiegte der englische Wortschatz des Fremden, und er fiel mit wilden Flüchen in seine Muttersprache zurück.
    »Schluss jetzt!«, sagte der Schaffner. »Treten Sie zurück, verstanden? Der Zug fährt ab.«
    Flaggen wurden geschwenkt, und Pfiffe ertönten. Mit einem unwilligen Ruck rollte der Zug aus dem Bahnhof. George blieb auf seinem Beobachtungsposten, bis der Zug den Bahnsteig hinter sich gelassen hatte. Dann zog er den Kopf herein, ergriff seinen Koffer und warf ihn in das Gepäcknetz.
    »Alles in Ordnung. Sie können hervorkommen«, sagte er aufmunternd.
    Das Mädchen kroch hervor.
    »Oh!«, sagte es atemlos. »Wie kann ich Ihnen nur danken?«
    »Darüber machen Sie sich nur keine Sorgen. Glauben Sie mir: Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte George lässig. Besänftigend lächelte er sie an. Der Blick ihrer Augen wirkte leicht erstaunt. Sie schien irgendetwas zu vermissen, an das sie gewohnt war. In diesem Moment erblickte sie sich plötzlich in dem kleinen Spiegel, der ihr gegenüber hing, und stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Ob die Wagenwäscher den Fußboden auch unter den Sitzen aufwischen oder nicht, steht nicht einwandfrei fest. Der Anschein sprach zwar gegen ihre Tätigkeit; es kann jedoch möglich sein, dass jedes Dreck- und Qualmpartikelchen – ähnlich den Zugvögeln – seinen Weg dorthin findet. George hatte bisher kaum Zeit gehabt, der Erscheinung des Mädchens Aufmerksamkeit zu schenken: So plötzlich war ihre Ankunft und so kurz die Zeitspanne gewesen, ehe sie in ihr Versteck kroch. Trotzdem handelte es sich mit Sicherheit um eine schlanke und gut gekleidete junge Frau, die unter dem Sitz verschwunden war. Jetzt war ihr kleiner roter Hut jedoch zerbeult und verdrückt und ihr Gesicht durch lange Schmutzstreifen verunstaltet.
    »Oh!«, sagte das Mädchen.
    Es kramte in seiner Handtasche. Mit dem Taktgefühl des wahren Gentleman starrte George wie gebannt aus dem Fenster und bewunderte die Londoner Straßen südlich der Themse.
    »Wie kann ich Ihnen nur danken?«, sagte das Mädchen wieder.
    In der Annahme, dass dies ein Hinweis sei, die Unterhaltung wieder aufzunehmen, wandte George seinen Blick ab und leistete wiederum aus Höflichkeit einen Verzicht, diesmal jedoch mit einem Gutteil zusätzlicher Wärme in seinem Verhalten.
    Das Mädchen war absolut bezaubernd! Noch nie, überlegte George, hatte er bisher ein so bezauberndes Mädchen erblickt. Die Dienstfertigkeit in seinem Verhalten wurde noch deutlicher.
    »Ich finde es einfach großartig von Ihnen«, sagte das Mädchen bewundernd.
    »Aber ich

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