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Etwas ist faul

Etwas ist faul

Titel: Etwas ist faul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Hühnerzuchtbetrieben (auch hier war ein bisschen Eigenkapital erforderlich) sowie unzählige Köchinnen, Zimmermädchen und Putzfrauen – insbesondere Putzfrauen.
    »Es würde mir ja gar nichts ausmachen, mich als Putzfrau zu verdingen«, sagte Jane zu sich, »aber selbst hier würde man mich nicht ohne Berufserfahrung nehmen. Wahrscheinlich könnte ich irgendwo eine Stelle als Hausmädchen finden, aber Hausmädchen zahlt man nun mal kein nennenswertes Gehalt.«
    Sie seufzte abermals tief auf, legte die Zeitung vor sich hin und machte sich mit dem gesunden Appetit der Jugend über das verlorene Ei her.
    Als sie den letzten Bissen verschlungen hatte, trank sie ihren Tee und blätterte dabei die Zeitung durch bis zu den Kleinanzeigen. Das war immer ihre letzte Hoffnung.
    Hätte sie bloß zweitausend Pfund besessen, so wäre alles kinderleicht. Es gab da mindestens sieben einmalige Anlagemöglichkeiten, die alle nicht weniger als dreitausend Pfund im Jahr abwarfen. Jane schnitt eine Grimasse.
    »Wenn ich zweitausend Pfund hätte«, murmelte sie, »würde ich mich bestimmt nicht so leicht davon trennen.«
    Sie ließ ihre Augen rasch bis zum Ende der Spalte gleiten und dann mit der Gewandtheit langer Übung wieder daran emporwandern.
    Da war die Dame, die so wunderbar hohe Preise für abgelegte Kleidung bezahlte, wobei sie zur Besichtigung von »Damengarderobe« sogar zu einem nachhause kam. Da war der Herr, der alles kaufte, aber sich vorzugsweise für Zähne interessierte. Da waren die Damen »von Stand«, die unbedingt verreisen mussten und daher ihre Pelzmäntel zu geradezu spottbilligen Preisen abgeben wollten. Da waren der verarmte Geistliche, die schwer arbeitende Witwe, der kriegsversehrte Offizier, die alle unbedingt Beträge zwischen fünfzig und zweihundert Pfund benötigten. Und dann hielt Jane abrupt inne. Sie stellte ihre Teetasse hin und las die Annonce ein zweites Mal.
    »Es ist natürlich ein Haken dabei«, murmelte sie. »Hinter dieser Art von Angeboten steckt immer ein Haken. Ich muss vorsichtig sein. Aber trotzdem…«
    Die Anzeige, die Jane Cleveland so interessierte, lautete folgendermaßen:
     
    »Wenn Sie – junge Dame, Alter zwischen fünfundzwanzig und dreißig dunkelblaue Augen, hellblonde Haare, schwarze Auge n brauen und Wimpern, gerade Nase, schlanke Figur, Größe ein Meter ach t undsechzig mit Schauspieltalent und französischen Sprachkenn t nissen – sich heute zwischen 17 und 18 Uhr bei der Adresse Endersleigh Street 7 melden, haben wir ein interessantes Angebot für Sie.«
     
    »›Die Unschuld vom Lande‹ oder ›Wie man auf die schiefe Bahn gerät‹«, spöttelte Jane halblaut. »Auf jeden Fall ist Vorsicht geboten. Aber eigentlich werden für so was zu viele besondere Eigenschaften verlangt. Ob vielleicht… gehen wir die Bedingungen noch einmal durch.«
    Sie fing von vorne an.
    »Alter fünfundzwanzig bis dreißig – ich bin sechsundzwanzig. Augen dunkelblau – stimmt. Haare hellblond, Augenbrauen und Wimpern schwarz – stimmt alles. Gerade Nase? Na ja – ziemlich gerade, jedenfalls keine Haken- und keine Himmelfahrtsnase. Und eine schlanke Figur hab ich – selbst für heutzutage. Groß bin ich zwar nur ein Meter siebenundsechzig – aber ich könnte ja Schuhe mit hohen Absätzen tragen. Schauspieltalent hab ich auch, nicht überwältigend vielleicht, aber ich kann gut anderer Leute Stimmen imitieren, und Französisch spreche ich wie ein Engel oder eine geborene Französin. Kurz und gut, ich bin genau die Richtige. Die müssten vor Freude schier in die Luft springen, wenn ich mich dort melde. Also los, Jane, auf in den Kampf.«
    Entschlossen riss Jane die Anzeige aus der Zeitung und steckte sie in ihre Handtasche. Dann rief sie mit neu erwachter Energie in der Stimme nach ihrer Rechnung.
    Um zehn Minuten vor fünf war Jane bereits in der Gegend der Endersleigh Street, um sich ein wenig umzusehen. Die Endersleigh Street selbst ist eine kleine, zwischen zwei größere Straßen eingezwängte Nebenstraße nicht weit vom Oxford Circus entfernt. Die graubraunen Häuserfronten wirkten eintönig, aber respektabel.
    Nummer 7 schien sich durch nichts von den Nachbarhäusern zu unterscheiden. Es bestand ebenfalls ausschließlich aus Büroetagen. Doch während Jane an der Fassade emporblickte, dämmerte es ihr zum ersten Mal, dass sie nicht das einzige blauäugige, blondhaarige, mit einer geraden Nase ausgestattete, schlanke Mädchen zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren war.

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