Etwas ist faul
absolut nicht.«
»Ach!«, stieß Jane verblüfft hervor.
Der »Oberst« musterte sie aufmerksam.
»Sie besitzen Intelligenz, ja? Und Diskretion?«
»Ich besitze jede Menge Intelligenz und Diskretion«, entgegnete Jane ruhig. »Wie steht’s mit der Bezahlung?«
»Die Bezahlung wird zweitausend Pfund betragen – für eine Arbeitsdauer von zwei Wochen.«
»Oh!«, hauchte Jane.
Die Höhe der genannten Summe überwältigte sie derart, dass sie im Augenblick kein weiteres Wort herausbrachte.
»Ich habe noch eine weitere junge Dame in die engere Wahl gezogen«, fuhr der Oberst fort. »Sie sind beide gleich gut geeignet. Vielleicht gibt es unter den verbleibenden Damen noch andere, die infrage kommen. Ich werde Ihnen nun weitere Anweisungen geben. Sie kennen das Hotel ›Harridge’s‹?«
Jane rang nach Luft. Wer in England kannte nicht das »Harridge’s«, jenes berühmte Haus in einer bescheidenen Nebenstraße von Mayfair, wo regelmäßig Mitglieder regierender Häuser und andere Berühmtheiten abzusteigen pflegten. Erst heute Morgen hatte Jane von der Ankunft der Großherzogin Pauline von Ostrowa gelesen. Sie war nach England gekommen, um einen großen Wohltätigkeitsbasar zur Unterstützung russischer Flüchtlinge zu eröffnen, und sie wohnte natürlich im »Harridge’s«.
»Ja«, antwortete Jane auf die Frage des Obersten.
»Schön. Begeben Sie sich dorthin. Fragen Sie nach Graf Streptitsch. Schicken Sie Ihre Visitenkarte hinauf – Sie haben doch eine Visitenkarte?«
Jane holte eine aus der Tasche. Der Oberst nahm sie und kritzelte in eine Ecke davon ein winziges P. Dann gab er Jane die Karte zurück.
»Das garantiert Ihnen, dass der Graf Sie auch bestimmt empfängt. Er wird daraus ersehen, dass ich Sie geschickt habe. Die endgültige Entscheidung liegt bei ihm – und bei einer anderen Person. Sollte er Sie für geeignet halten, wird er Ihnen erklären, um was es sich handelt, und Sie können dann sein Angebot annehmen oder ablehnen. Sind Sie damit einverstanden?«
»Vollkommen«, erwiderte Jane.
Vorläufig wenigstens, dachte sie, als sie auf die Straße trat. Ich kann keinen Haken an der Geschichte entdecken. Und doch muss es einen geben. Für nichts kriegt man nichts. Es muss sich um irgendeine illegale Sache handeln! Etwas anderes bleibt gar nicht übrig.
Sie wurde ganz vergnügt bei dem Gedanken. Die Idee einer illegalen Beschäftigung schien ihr nicht so übel, vorausgesetzt natürlich, diese hielt sich im Rahmen. Die Zeitungen waren in letzter Zeit voll von den »Heldentaten« verschiedener »Gangsterbräute« gewesen, und Jane hatte sich schon ernstlich überlegt, ob sie sich, sollte alles andere schief gehen, nicht auch auf dieses Metier verlegen sollte.
Mit leichtem Schaudern trat sie durch das geheiligte Portal des »Harridge’s«. Mehr als je zuvor wünschte sie, sie hätte einen neuen Hut.
Aber sie marschierte tapfer zur Rezeption, holte ihre Karte heraus und fragte ohne jedes Zaudern in der Stimme nach Graf Streptitsch. Ihr schien, als sehe der Portier sie recht neugierig an, doch er nahm ihre Karte und gab sie einem kleinen Hotelpagen, wobei er diesem leise einige Anweisungen erteilte, die Jane nicht verstand. Nach einer Weile kehrte der Page zurück und forderte Jane auf, ihm zu folgen. Sie fuhren mit dem Lift nach oben und gingen einen Korridor entlang bis zu einer breiten Doppeltür. Der Page klopfte an. Einen Augenblick später fand sich Jane in einem großen Raum einem hochgewachsenen, schlanken Herrn mit blondem Bart gegenüber, der lässig ihre Visitenkarte zwischen langen weißen Fingern hielt.
»Miss Jane Cleveland«, las er langsam. »Ich bin Graf Streptitsch.«
Seine Lippen öffneten sich zu etwas, das wohl ein Lächeln darstellen sollte, und entblößten zwei Reihen weißer ebenmäßiger Zähne. Das Resultat erweckte jedoch keineswegs den Eindruck von Heiterkeit.
»Wenn ich recht verstehe, haben Sie sich auf unsere Annonce hin beworben«, fuhr der Graf fort. »Unser guter Oberst Kranin hat Sie dann zu uns geschickt.«
Er ist also doch ein Oberst, dachte Jane, erfreut über ihre Menschenkenntnis, doch sie nickte bloß.
»Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen nun ein paar Fragen stelle?«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern unterzog Jane sofort einem Verhör, das demjenigen des Obersten Kranin fast aufs Haar glich. Ihre Antworten schienen ihn zu befriedigen. Er nickte ein- oder zweimal mit dem Kopf.
»Ich möchte Sie nun bitten, Mademoiselle,
Weitere Kostenlose Bücher