Etwas ist faul
Journalistin, wenn ich mich nicht irre. Sie hat viel für unsere Sache getan. Es wäre mir ein Vergnügen, ihr ein kurzes Interview für ihre Zeitung zu geben. Gibt es hier irgendwo einen Platz, wo wir ungestört sind?«
Sofort wurde der Großherzogin ein kleines Vorzimmer zur Verfügung gestellt, und man schickte Graf Streptitsch aus, um Miss Montresor hereinzuholen. Sobald er seinen Auftrag ausgeführt und sich wieder zurückgezogen hatte, fand mithilfe von Prinzessin Poporensky ein blitzschneller Kleidertausch statt.
Drei Minuten später öffnete sich die Tür, und die Großherzogin erschien, ihren Rosenstrauß dicht vors Gesicht haltend.
Mit einem liebenswürdigen Neigen des Kopfes und ein paar französischen Abschiedsworten an die Gräfin von Anchester rauschte sie hinaus und bestieg ihren wartenden Wagen. Prinzessin Poporensky nahm den Platz neben ihr ein, und der Wagen fuhr davon.
»So«, sagte Jane, »das war’s. Wie es wohl Miss Montresor ergehen mag?«
»Auf sie wird niemand achten. Sie kann unbemerkt hinausschlüpfen.«
»Das stimmt«, gab Jane zu. »Ich habe meine Sache gut gemacht, nicht wahr?«
»Sie haben Ihre Rolle ausgezeichnet gespielt, ja.«
»Warum ist der Graf nicht mit uns gekommen?«
»Er musste dort bleiben, denn jemand muss über die Sicherheit Ihrer Hoheit wachen.«
»Hoffentlich wirft niemand eine Bombe«, meinte Jane besorgt. »He! Wir biegen ja von der Hauptstraße ab. Was soll das?«
Der Wagen raste mit zunehmender Geschwindigkeit eine Nebenstraße hinunter.
Jane fuhr hoch und redete protestierend auf den Chauffeur ein. Dieser lachte bloß und erhöhte das Tempo. Jane ließ sich wieder in den Sitz zurücksinken.
»Ihre Spione hatten Recht«, lachte sie. »Da haben wir den Salat. Ich denke, je länger ich meine Rolle spiele, desto besser ist es für die Sicherheit der Großherzogin. Auf alle Fälle müssen wir genug Zeit gewinnen, dass sie heil nach London kommt.«
Die drohende Gefahr ließ Janes Herz höher schlagen. Der Gedanke an ein Bombenattentat hatte ihr missfallen, doch diese Art Abenteuer appellierte an ihre sportlichen Instinkte.
Plötzlich hielt der Wagen mit quietschenden Reifen. Ein Mann sprang auf das Trittbrett. Er hielt einen Revolver in der Hand.
»Hände hoch«, zischte er.
Prinzessin Poporenskys Hände fuhren blitzschnell in die Höhe, Jane hingegen blickte den Mann bloß verächtlich an und ließ die Hände im Schoß ruhen.
»Fragen Sie ihn, was dieses empörende Benehmen zu bedeuten hat«, sagte sie auf Französisch zu ihrer Begleiterin.
Ehe diese jedoch dazu kam, zu antworten, fiel ihr der Mann ins Wort und überschüttete die beiden Frauen mit einem Redeschwall in irgendeiner fremden Sprache.
Jane, die kein Wort verstand, zuckte bloß die Achseln und schwieg. Der Chauffeur war unterdessen von seinem Sitz geklettert und neben den anderen Mann getreten.
»Würde sich die hochedle Dame bitte herausbemühen?«, fragte er grinsend.
Den Blumenstrauß wieder dicht vor ihr Gesicht haltend, stieg Jane aus dem Wagen. Prinzessin Poporensky folgte ihr.
»Würde die hochedle Dame nun bitte hier langkommen?« Jane nahm keine Notiz von dem unverschämten Ton des Mannes, sondern ging aus freien Stücken auf ein niedriges, verwinkeltes Haus zu, das etwa hundert Meter entfernt von der Stelle, wo der Wagen gehalten hatte, stand. Die Straße war eine Sackgasse, die in der Zufahrt zu diesem offensichtlich unbewohnten Gebäude mündete.
Der Mann, der noch immer mit seinem Revolver herumfuchtelte, marschierte dicht hinter den beiden Frauen her. Als sie die Vortreppe hinaufstiegen, drängte er sich an ihnen vorbei und riss links eine Tür auf. Sie führte in ein leeres Zimmer, in das man lediglich einen Tisch und zwei Stühle gestellt hatte.
Jane trat ein und setzte sich. Anna Michaelowna folgte ihr. Der Mann schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss.
Jane ging zum Fenster und blickte hinaus.
»Ich könnte natürlich hinausspringen«, meinte sie, »aber ich würde nicht weit kommen. Nein, vorläufig müssen wir wohl hier bleiben und uns mit unserer Lage abfinden. Ob die uns wohl etwas zu essen bringen werden?«
Etwa eine halbe Stunde später wurde ihre Frage beantwortet.
Eine große Terrine dampfender Suppe wurde hereingebracht und vor sie auf den Tisch gestellt. Dazu gab es zwei Stück trockenes Brot.
»Nicht gerade ein fürstliches Mahl«, bemerkte Jane fröhlich, während die Tür wieder von außen verschlossen wurde. »Wollen Sie anfangen
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