Etwas ist faul
sei Dank habe ich einen ziemlich harten Schädel.«
Er setzte sich mühsam auf und verzog das Gesicht. »Mein Gehirn wird hoffentlich auch bald wieder funktionieren. Ich bin noch immer am gleichen Ort, wie ich sehe.«
»Wie sind Sie denn hierher gekommen?«, fragte Jane neugierig.
»Das ist eine lange Geschichte. Übrigens, sind Sie nicht diese Großherzogin Dingsda? Hab ich nicht Recht?«
»Nein, die bin ich nicht. Ich heiße schlicht Jane Cleveland.«
»Na, immerhin sehen Sie nicht schlicht aus«, witzelte der junge Mann, wobei er sie jedoch mit unverhohlener Bewunderung musterte.
Jane wurde rot.
»Ich sollte Ihnen wohl ein Glas Wasser bringen, nicht wahr?«, fragte sie unsicher.
»Ich glaube, das ist in solchen Fällen üblich«, stimmte der junge Mann zu. »Trotzdem würde ich eigentlich lieber einen Schluck Whisky haben, falls Sie einen auftreiben können.«
Jane fand keinen Whisky. Der junge Mann trank stattdessen einen großen Schluck Wasser und verkündete hinterher, nun fühle er sich besser.
»Soll ich Ihnen jetzt mein Abenteuer erzählen, oder wollen Sie mir Ihres erzählen?«, fragte er dann.
»Sie zuerst.«
»Meins ist eigentlich eher banal. Ich bemerkte zufällig, dass die Großherzogin bei dem bewussten Basar mit flachen Schuhen in ein Zimmer hineinging und mit hochhackigen Schuhen wieder herauskam. Das fand ich irgendwie sonderbar. Und sonderbare Dinge reizen meine Neugier.
Ich fuhr also mit meinem Motorrad hinter ihrem Wagen her. Ich sah, wie Sie in dieses Haus gebracht wurden. Etwa zehn Minuten später kam ein großer Sportwagen angerast. Eine junge Frau in Rot und drei Männer stiegen aus. Die Frau trug tatsächlich flache Schuhe. Die vier gingen ins Haus. Kurz darauf kam die Frau in einem schwarz-weiß gemusterten Kleid heraus und fuhr, begleitet von einer alten Weibsperson und einem großen Mann mit blondem Bart, in dem ersten Wagen davon. Die anderen fuhren im Sportwagen ab. Ich dachte, jetzt seien alle weg, und wollte gerade durch das Fenster dort klettern, um Sie zu retten, als mir irgendjemand von hinten eins über den Schädel gab. Das ist alles. Jetzt sind Sie dran.«
Jane erzählte, was ihr widerfahren war.
»Und es ist ein Riesenglück für mich, dass Sie hinter uns hergefahren sind«, schloss sie. »Denn denken Sie nur, in was für einer schrecklichen Situation ich sonst wäre. Die Großherzogin hätte ein hieb- und stichfestes Alibi. Sie verließ den Basar vor dem Überfall und kam in ihrem Wagen in London an. Würde mir da irgendein Mensch auf der Welt meine total unmögliche Geschichte geglaubt haben?«
»Nie im Leben«, versicherte der junge Mann.
Die beiden waren so in ihre gegenseitigen Erzählungen vertieft, dass sie ihre Umgebung völlig vergessen hatten. Nun blickten sie auf und sahen erschrocken einen hochgewachsenen, grämlich blickenden Mann an der Hauswand lehnen. Er nickte ihnen zu.
»Sehr interessant«, bemerkte er.
»Wer sind Sie?«, fragte Jane scharf.
Der grämlich blickende Mann blinzelte leicht belustigt.
»Kriminalinspektor Farrell«, sagte er sanft. »Es wäre uns wohl tatsächlich ein bisschen schwer gefallen, Ihrer Erzählung Glauben zu schenken, wenn sich da nicht ein oder zwei Dinge ereignet hätten.«
»Nämlich?«
»Ja, sehen Sie, wir haben zum Beispiel heute Morgen erfahren, dass die echte Großherzogin in Paris mit einem Chauffeur durchgebrannt ist.«
Jane schnappte nach Luft.
»Außerdem wussten wir, dass sich diese bewusste amerikanische Gangsterbraut seit Kurzem in England aufhielt, und haben mit einem Coup von ihr gerechnet. Wir werden die Bande sehr schnell geschnappt haben, verlassen Sie sich darauf. Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.«
Er lief die Stufen hinauf ins Haus.
»So was!«, stieß Jane hervor. Nach einer Pause erklärte sie unvermittelt: »Ich finde es riesig intelligent von Ihnen, dass Sie den Trick mit den Schuhen bemerkt haben.«
»Durchaus nicht«, entgegnete der junge Mann. »Ich bin im Schuhgeschäft groß geworden. Mein Vater ist so eine Art Schuhkönig. Er wollte, dass ich in seine Fußstapfen trete, ein solides Leben führe und heirate und so. Niemand Spezielles – bloß im Prinzip. Aber ich wollte lieber Künstler werden.« Er seufzte.
»Ach, das tut mir aber leid«, erklärte Jane mitfühlend.
»Seit sechs Jahren versuche ich es nun. Und es hat keinen Zweck, sich etwas vorzumachen: Ich bin ein miserabler Maler. Ich hätte gute Lust, das Ganze hinzuwerfen und wie der verlorene Sohn nachhause
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