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Eulen

Eulen

Titel: Eulen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiassen
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wie Beatrice sich verhielt, nahm Roy an, dass sie nicht allein auf dem Grundstück waren.
    Bald kamen sie zu einem alten, auf Zementblöcken aufgebockten Lieferwagen. Die verblassten roten Buchstaben auf der eingerissenen Plane waren kaum zu entziffern: JO-JOS EISSALON.
    Beatrice kletterte in die Kabine und zog Roy hinter sich her. Durch einen schmalen Durchgang kamen sie in den hinteren Teil des Lieferwagens, der übersät war mit Kartons und Schachteln und Bergen von alter Kleidung. Roy bemerkte einen Schlafsack in einer Ecke.
    Als Beatrice die Tür hinter ihnen schloss, war es stockdunkel. Roy konnte nicht die Hand vor Augen sehen.
    »Gib die Schachtel her!«, hörte er Beatrice’ Stimme.
    »Nein«, sagte Roy.
    »Liegt dir was an deinen Vorderzähnen, Eberhardt?«
    »Ich hab keine Angst vor dir«, log Roy.
    Es war stickig und feucht in dem alten Eiscremewagen. Mücken surrten um Roys Ohren herum und er schlug blind nach ihnen. Es roch nach irgendetwas, das hier nicht so richtig hinzupassen schien, irgendetwas, das ihm merkwürdig bekannt vorkam – konnten das Kekse sein? Doch, es roch nach frisch gebackenen Erdnussbutterkeksen, wie Roys Mutter sie immer machte.
    Der grelle Strahl einer Taschenlampe traf ihn voll in die Augen und Roy drehte den Kopf weg.
    »Zum letzten Mal«, sagte Beatrice drohend, »was hast du in dem Schuhkarton?«
    »Schuhe«, antwortete Roy.
    »Haha!«
    »Ehrlich.«
    Sie riss ihm die Schachtel aus den Händen, nahm den Deckel ab und leuchtete mit der Taschenlampe hinein.
    »Ich hab’s dir doch gesagt«, meinte Roy.
    Beatrice schnaufte verächtlich. »Wozu schleppst du ein extra Paar Turnschuhe mit dir rum? Das ist doch echt beknackt, Cowgirl.«
    »Die sind nicht für mich, die Schuhe«, sagte Roy. Sie waren fast brandneu, er hatte sie erst ein paar Mal getragen.
    »Für wen sind sie dann?«
    »Für einen Jungen, den ich kenne.«
    »Was für ein Junge?«
    »Der, von dem ich dir in der Schule erzählt hab. Der neulich an deiner Bushaltestelle vorbeigerannt ist.«
    »Ach ja«, sagte Beatrice spöttisch, »der, hinter dem du her warst, als du dich um deinen eigenen Kram kümmern solltest.« Sie knipste die Taschenlampe aus und es war wieder stockdunkel.
    »Na ja, ich hab ihn auch gefunden. Mehr oder weniger jedenfalls«, sagte Roy.
    »Du gibst wohl nie auf, was?«
    »Mensch, der Junge braucht Schuhe. Der tritt sonst noch in Glasscherben oder rostige Nägel … oder auf eine Wassermokassin.«
    »Woher willst du wissen, ob der überhaupt Schuhe will, Eberhardt? Vielleicht kann er ohne ja viel schneller rennen.«
    Roy war sich nicht sicher, was Beatrice hatte, aber dass er deutlich zu spät war fürs Abendessen und seine Eltern vermutlich schon längst in Panik waren, das wusste er definitiv. Beatrice knipste die Taschenlampe wieder an. Wenn er es irgendwie schaffte, vor ihr beim Fahrrad zu sein, dann könnte er vielleicht abhauen.
    »Ist ja egal«, sagte Roy, »wenn er die Schuhe nicht will, dann behalte ich sie eben. Und wenn er sie will – also, passen müssten sie ihm. Er sah etwa so groß aus wie ich.«
    Aus der Dunkelheit kam nur Schweigen zurück.
    »Beatrice, wenn du mich zusammenschlagen willst, könnten wir es dann vielleicht jetzt gleich hinter uns bringen? Meine Eltern dürften nämlich gerade bei der Polizei anrufen.«
    Schweigen.
    »Beatrice, bist du wach?«
    »Eberhardt – was willst du von dem Jungen?«
    Das war eine gute Frage, und Roy war sich nicht sicher, ob er die Antwort in Worte fassen konnte. Es hatte etwas mit dem Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen zu tun, als er an den beiden Tagen am Bus vorbeigerannt war: Wild entschlossen hatte er ausgesehen, so als hätte er etwas ganz Dringendes zu tun. Auf jeden Fall konnte Roy diesen Ausdruck nicht vergessen.
    »Ich weiß nicht«, sagte Roy, »ich weiß nicht, was es ist.«
    Die Taschenlampe leuchtete ihm noch immer ins Gesicht. Roy arbeitete sich weiter zur Tür vor, doch Beatrice packte ihn ganz lässig am Hosenboden und zerrte ihn zu sich hinunter.
    Roy saß schwer atmend da und wartete auf Prügel. Andererseits – Beatrice schien überhaupt nicht sauer zu sein.
    »Welche Größe sind die?«, fragte sie und hielt die Turnschuhe hoch.
    »Neun«, antwortete Roy.
    »Hm.«
    Beatrice deckte das Licht der Lampe mit einer Hand ab und legte einen Finger auf den Mund. Dann zeigte sie hinter sich. Im nächsten Moment hörte Roy draußen Schritte.
    Beatrice knipste das Licht aus. Sie warteten. Die Schritte im Kies klangen

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