Eulen
Er wirkte groß und kräftig und schaute die ganze Zeit zu Boden. Er schien es eilig zu haben, aber trotzdem rannte er nicht normal, sondern taumelte eher von einer Seite zur anderen. Bei jedem Schritt schepperte es und der Ton hallte laut vom Asphalt wider.
Als er so nahe bei dem Jungen war, dass der von den Scheinwerfern des Streifenwagens erfasst wurde, bemerkte Officer Delinko einen flachen, rechteckigen Gegenstand an jedem der beiden Turnschuhe. Irgendetwas sehr Merkwürdiges war da im Gange.
Der Polizist schaltete das Blinklicht oben auf dem Wagen ein und stieg aus. Überrascht blieb der Teenager stehen und sah auf. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich und Schweiß lief ihm übers Gesicht.
»Kann ich dich mal kurz sprechen, junger Mann?«, fragte Officer Delinko.
»Nee«, brummte der Junge und machte Anstalten abzuhauen.
Aber mit Rattenfallen an den Füßen kam er nicht weit. Officer Delinko hatte keine Mühe, ihn einzufangen und auf den vergitterten Rücksitz des Polizeiwagens zu schubsen. Die selten benutzten Handschellen des Beamten funktionierten einwandfrei.
»Wieso wolltest du wegrennen?«, fragte er seinen jungen Gefangenen.
»Ich will einen Anwalt«, antwortete der Junge mit versteinerter Miene.
»Schlauberger.«
Officer Delinko wendete seinen Wagen, um den Jungen auf die Wache zu bringen. Beim Blick in den Rückspiegel entdeckte er, dass da noch jemand wild winkend auf der Straße angerannt kam.
Was gibt das denn jetzt?, dachte der Polizist und trat auf die Bremse.
»He! Halt!«, brüllte die Gestalt, die inzwischen näher gekommen war. Die unverkennbare Glatze schimmerte im Licht der Straßenlaternen.
Es war Leroy Branitt, alias Curly, der Wachmann von Mama Paulas Baustelle. Keuchend und schnaufend erreichte er den Streifenwagen und sank erschöpft über der Motorhaube zusammen. Sein Gesicht war gerötet und dreckverschmiert.
Officer Delinko beugte sich aus dem Fenster und fragte, was los sei.
»Sie haben ihn gefasst!«, rief der Wachmann außer Atem. »Fabelhaft!«
»Wen gefasst?« Der Wachmann drehte sich um und nahm seinen Gefangenen auf dem Rücksitz näher in Augenschein.
»Den da! Der immer auf unserem Bauplatz rumgeschlichen ist und den ganzen Unfug gemacht hat!« Curly richtete sich auf und zeigte anklagend auf den Jungen. »Heute Abend hat er versucht, in meinen Bauwagen einzubrechen. Der kann von Glück reden, dass ich ihm nicht die Birne weggeschossen hab.«
Officer Delinko hatte Mühe, seine Aufregung zu verbergen. Er hatte es tatsächlich geschafft! Er hatte den Vandalen gefasst!
»Ich hatte ihn schon geschnappt, aber dann ist er mir wieder entwischt«, sagte Curly gerade. »Aber immerhin konnte ich vorher noch seinen Namen rauskriegen. Roy heißt er. Roy Eberhardt. Sie können ihn fragen!«
»Nicht nötig«, antwortete Officer Delinko. »Ich kenne Roy Eberhardt und das hier ist er ganz bestimmt nicht.«
»Was!« Curly kochte vor Wut. Offensichtlich hatte er wirklich erwartet, dass der junge Einbrecher ehrlich wäre.
Officer Delinko sagte: »Ich nehme an, Sie wollen ihn anzeigen.«
»Da können Sie Gift drauf nehmen. Dieser Mistkerl wollte mich sogar blind machen. Erde hat er mir ins Gesicht geschmissen!«
»Das wäre also ein Angriff«, sagte Officer Delinko. »Dazu kommen versuchter Einbruch, unerlaubtes Eindringen auf fremdes Gelände, Zerstörung von Privateigentum und so weiter. Keine Sorge, kommt alles in meinen Bericht.« Er wies auf den Beifahrersitz und bat Curly einzusteigen. »Sie müssen mitkommen zur Wache.«
»Es ist mir ein Vergnügen.« Finster betrachtete Curly den mürrischen Klotz auf dem Rücksitz. »Wollen Sie wissen, wie er diese albernen Fallen an die Zehchen gekriegt hat?«
»Später«, sagte Officer Delinko. »Aber dann will ich alles hören, haarklein.«
Dies war der große Durchbruch, auf den er gehofft hatte. Er konnte es kaum erwarten, auf die Wache zu kommen und ein volles Geständnis aus dem Typen rauszuholen.
Aus Lehrfilmen wusste Officer Delinko noch, dass man sehr viel psychologisches Geschick brauchte im Gespräch mit Verdächtigen, die nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollten. Also sagte er betont freundlich: »Du weißt, junger Mann, dass du dir die Dinge sehr viel leichter machen kannst.«
»Ja, klar«, brummte der Junge hinter der Abtrennung.
»Zum Beispiel, indem du uns erst einmal deinen Namen sagst.«
»O Mann, den hab ich glatt vergessen.«
Curly lachte auf. »Den hinter Gitter zu bringen wird mir eine
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