Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Mit einem Ruck löste sie sich. In der Schublade befand sich ein geblümter Pappkarton, in dem, an meinem letzten Geburtstag, das Notebook verpackt gewesen war. Ich nahm ihn heraus und öffnete den Deckel. Briefe undbunte Postkarten aus allen Teilen der Welt fielen mir entgegen. Ich hob die Umschläge und Karten an und ertastete unter ihnen ein Buch. Mein Tagebuch. Ich zog es heraus und setzte mich wieder auf das Bett.
Der letzte Eintrag war vom 24. Dezember 2007. Heiligabend. Ich erinnerte mich daran, wie fröhlich dieser Abend war. Mein Blick fiel auf meine rechte Hand. Am Ringfinger trug ich den silbernen Freundschaftsring, den mir Pascal zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich las meinen letzten Eintrag. Über Pascal standen gute Dinge drin. Ich war absolut happy wegen des Rings, und wenn ich die Zeilen jetzt las, erkannte ich meinen Freund darin nicht wieder. Knapp vier Monate später sah die Welt anders aus. Ich seufzte, griff nach meinem Füller und schrieb:
Dienstag, 15. April 2008 (0 Uhr 53)
Liebes Tagebuch
,
ich habe gerade gesehen, dass es fast vier Monate her ist, seitdem ich das letzte Mal geschrieben habe. Ein regelmäßiger Schreiber werde ich wohl nie. Ich hab keine Ahnung, wo ich eigentlich anfangen soll, aber ich schreib einfach mal drauf los. Irgendwie bin ich noch nicht müde und deswegen und auch wegen meines Hirn-Chaos schreibe ich mal wieder. Meine Beziehung mit Pascal entwickelt sich gerade von total »wow« zu voll »unwow«. Seufz! In den letzten Monaten hat er sich eindeutig zu intensiv um irgendwelche Handballgroupies gekümmert. Adriana hat mir erzählt, dass sie ihn bei der letzten Party im Jugendheim mit einer anderen gesehen hat. Ich war an dem Wochenende mit Nik und meinen Eltern in Berlin. Als ich Pascal darauf angesprochen habe, hat er alles abgestritten. Adriana hat da wohl was nicht richtig gesehen, war sein Kommentar. Schließlich war das Jugendheim voll und da steht man eben eng beieinander. Ich habe damals diese Erklärung gelten lassen, fand sie auch logisch. Erleichtert war ich auch, denn ich konnte es einfach nicht glauben, dass Pascal hinter meinem Rücken mit einer anderen rummacht. Tja, und heute wurde ich Zeuge, wie Prinzessin Blondie ihren Zofen Pascals Nummer in ihrem Handy präsentiert hat. Anscheinend hat Adriana auf der Party doch alles richtig beobachtet und Pascal belügt und hintergeht mich. Meine Gefühle fahren echt Achterbahn und ich weiß nicht, was ich tunsoll. Ich habe gerade viel geweint, wie kann ich Pascal noch irgendetwas glauben?
Der Gedanke, mich von Pascal in den Arm nehmen zu lassen, oder ihn zu küssen löst bei mir eine Gänsehaut aus. Oh Gott! Und morgen wird er bestimmt in der Schule auf mich warten. Mein Magen dreht sich gerade um. Aber ich kann nicht durchgehen lassen, dass Pascal sich mit anderen Tussis vergnügt und seine Handynummer verteilt. Das geht gar nicht! Eher würde ich Schluss machen. OMG! Ich glaub‘s nicht, ich hab‘s echt geschrieben. Dir vertraue ich diesen Gedanken hiermit als Erstes an. Irgendwie löst sich meine heile Welt gerade um mich herum auf. Pascal und ich stecken wohl in einer Art Krise und ich weiß nicht, wie wir da wieder rauskommen sollen. Will ich das eigentlich? Ich würde gerne schreiben, dass ich ihn liebe und ihn vermisse, aber das tu ich nicht. In mir ist nur Wut und Enttäuschung. Jetzt fang ich schon wieder an zu heulen. Son Mist! Aber jetzt muss ich schlafen. Das reicht an Geheimnissen für heute. Ich werde dich jetzt wieder gut verstecken
.
Deine verzweifelte Mae
P.S. Ich glaube, ich schreibe jetzt öfters
.
Ich klappte mein Tagebuch zu, knipste das Licht aus und rollte mich in meinem Bett zusammen. Es war still im Haus. Draußen prasselte der Regen auf das Vordach meines kleinen Balkons. Das gleichmäßige Plätschern lullte mich ein und ich fiel in einen traumlosen Schlaf.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich nicht besser als am Vortag. Allerdings blieben mir dieses Mal die roten Flecken erspart.
Ich klappte mein Handy auf und klickte auf Adris Nummer. Sie musste mir helfen.
»Mae«, fragte Adri verschlafen. »Ist was passiert?«
»Moin Adri … ähm, ich brauche deine Hilfe.«
Es regnete noch immer, als ich mich mit Adri im Wartehäuschen an unserer Schule traf. Nik hatte erst später Unterricht, sodass ich ihm diese Aktion nicht erklären musste. »Also, du wartest hier und ich gebe dir dann Bescheid, wenn die Luft rein ist.«
Ich nickte. »OK, dann bis gleich.«
Adri hastete durch den
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