Eulenspiegel
Beide Male waren es Postautos, die Beute war allerdings viel kleiner: 75.000 Mark in Dormagen und 140.000 Mark in Grevenbroich. Das Schema ist ähnlich. Einmal war es ein quergestellter PKW auf einem einsamen Landstraßenabschnitt, der den Postwagen zum Halten brachte, einmal war es genauso wie bei uns, Ausbremsen an einer Ampel. In beiden Fällen waren die Tatfahrzeuge geklaut. Deckungsgleich ist auch das Fesseln mit Isolierband. In Dormagen war es braunes Band, in Grevenbroich schwarzes.«
»Isolierband«, sagte Rother. »Sehr gut. Wir werden uns darum kümmern, daß wir sofort Vergleichsproben bekommen.«
»Ja, macht das mal«, antwortete Heinrichs. »Wir wissen, daß in allen drei Fällen das Vorgehen ähnlich war: schnell und auch dreist, denn mit etwas Pech hätten die Überfälle von Passanten leicht beobachtet werden können. Und relativ brutal waren die Täter auch. Gestorben war allerdings bislang keiner. So!« Er schob die Brust nach vorn, daß auch jeder merkte, wie stolz er war. »Dann habe ich auf einmal gemerkt, daß alle Informationen, die ich kriegte, direkt vom LKA kamen. Da sind die Raubüberfälle nämlich mittlerweile gelandet, weil man davon ausgeht, daß es sich in Grevenbroich und Dormagen bei den Tätern um Russen gehandelt hat und organisiertes Verbrechen nicht auszuschließen, sogar höchst wahrscheinlich ist. Es gab wohl schon ähnliche Fälle in Bayern und Hessen.«
»Das ist interessant.« Charlotte Meinhard richtete sich auf. »Ich habe in Köln lange in der Soko für organisiertes Verbrechen gearbeitet. Russen, jetzt wird mir so einiges klar.«
Van Appeldorn war irritiert. »Russen am Bau und Russen beim Überfall, oder wie? Was wird Ihnen klar?«
»Unsere Täter kommen vom Niederrhein«, gab Toppe zu bedenken. »Zumindest einer von ihnen.«
»Dat muß nix heißen!« Ackermann war ganz aufgewühlt. »Die Jungs sind mit allen Wassern gewaschen.«
Van Appeldorn schloß stöhnend die Augen. »Was soll denn das nun wieder? Die Russen können perfekt Jupp Ackermann imitieren? Wenn die solche Talente haben, warum spezialisieren die sich dann nicht auf Alleinunterhalter?«
Aber Ackermann zuckte nicht mit der Wimper. »Mafioso wird besser bezahlt, Norbert. Solltest eigentlich wissen. Aber dat mein’ ich nich’. Et kommt schon ma’ vor, dat diese Ostjungs mit Deutschen arbeiten. Dat is’ alles ’n bisken komplizierter, wie sich dat auf ’n ersten Blick anhört. Charly …« Er wurde dunkelrot und fuhr sich hektisch durch das lange Haar. »Frau Meinhard, könnten wir beide uns nich’ gleich ma’ in Ruhe zusammensetzen? Ich hab da so ’n paar Ideen. Wo ich organisiertes Verbrechen hör’, da gehen auf einmal die Lämpkes bei mir an. Zum Beispiel hat da doch neulich dat Pfannkuchenhaus aufgemacht anne Linde.«
»Stimmt!« Die Chefin sah Toppe an. »Wenn Sie uns im Augenblick nicht brauchen, dann würde ich gern in meinem Büro ein paar Dinge mit Herrn Ackermann zusammentragen. Pfannkuchenhaus, meine Güte, ja. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht.«
Ackermann hielt ihr die Tür auf, aber bevor er sie wieder schloß, drehte er sich noch einmal um und kniff der Runde ein Auge.
»Pfannkuchenhaus?« Heinrichs guckte verstört. »Was reden die denn da?«
»Tja, wir müssen auch wieder an die Arbeit.« Rother deutete eine Verbeugung an.
Van Gemmern ging einfach nur hinaus.
4
Wenn Toppe geglaubt hatte, er würde wenigstens am Samstag abend Ruhe und Frieden finden, dann hatte er sich gründlich getäuscht.
Astrid kam nur kurz mit ins Haus, um ihren Wintermantel und einen Schal zu holen. »Ich gehe ein Stück spazieren. Wartet nicht mit dem Essen auf mich.«
Toppe hielt sie zurück. »Du bist beleidigt.« Schon auf dem Heimweg hatte sie kaum ein Wort gesagt.
»Nein, beleidigt bin ich nicht. Ich fühle mich nur ziemlich allein gelassen. Aber eigentlich ist das so neu ja auch nicht.«
Gabi war heute mit dem Kochen an der Reihe gewesen, und es gab Pflaumenkompott mit Milchreis, den Toppe schon als Kind verabscheut hatte. Seine beiden Söhne allerdings konnten gar nicht genug davon kriegen.
»Willst du lieber ein Brot?« fragte Gabi.
»Nein danke, ein paar Pflaumen reichen mir. Ich habe heute zu mittag gegessen. Und?« fragte er seinen Ältesten. »Wie schmeckt der Zivildienst?«
Christian grinste. »Man darf’s ja nicht laut sagen, aber mir macht es sogar Spaß.«
Er war im Altenheim in der Burg Ranzow, wo er auch schon vorher freiwillig gearbeitet hatte. »Ich komme
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