Eulenspiegel
Rolle, die ihm in den letzten Monaten immer vertrauter geworden war.
Um 8 Uhr 25 war der ganze Spuk vorbei, und der Staatsanwalt kam auf Toppe zu. »Mir wäre es lieb, wenn wir die Akten gemeinsam überprüfen. Es scheint da in letzter Zeit zu einem unangenehmen Interessenskonflikt gekommen zu sein. Vermutlich ist es effektiver, wenn wir an einem Strang ziehen.«
»Das ist mir sehr recht«, begann Toppe und wollte eigentlich mit ein paar Worten den Konflikt aus der Welt schaffen, aber Günther wandte sich ab. Freundlichkeit und persönlicher Kontakt waren eindeutig nicht erwünscht, und so verlief der restliche Vormittag für Toppe recht angespannt.
Konzentriert und stoisch schweigend, arbeitete sich Günther durch den Aktenberg, ohne auch nur eine Pause zu machen. Selbstverständlich gab es in seinem Büro keinen Aschenbecher, und als Toppe zwischendurch hinausging, um zu rauchen, sah der Staatsanwalt nicht einmal auf. Auch der Becher Kaffee, den Toppe ihm mitbrachte, blieb unberührt.
Es war dann Toppe, der auf die entscheidenden Unterlagen stieß: die Liste mit den Namen der ausländischen Arbeitnehmer, die deutschen Firmen, die sie beschäftigten, die Adresse des holländischen Vermittlers und die Aufzeichnungen über die gezahlten Löhne.
Günther zeigte seine Anerkennung, indem er nun doch einen Schluck Kaffee trank.
»Bringt Sie das denn jetzt wenigstens auch bei Ihrem Postraub weiter?« fragte er sogar.
Toppe war ein wenig schwindelig geworden: 738 Schwarzarbeiter standen da aufgelistet, und nur 48 davon hatten sie bisher befragt. Blieben noch 690 übrig. Er nahm sich ein Blatt Papier und begann zu zählen. 476 Arbeiter waren bei verschiedenen Unternehmen im Ruhrgebiet angestellt, 91 im Raum Köln, 114 im Münsterland, 9 in Düsseldorf und nur 48 im Kreis Kleve. Aber das besagte nichts. Auch die anderen 690 wohnten in Holland und kamen freitags über die Grenze, um ihr Geld abzuholen. Theoretisch konnten auch sie vom regelmäßigen Geldtransport gewußt haben. Dann natürlich der Koppelbaas und die deutschen Unternehmer im Kreis. Fünf übrigens, nicht vier, wie sie bisher geglaubt hatten. Birkenhauer hatte in einem Punkt die Wahrheit gesagt: Bei ihm standen tatsächlich ein Pole und zwei Russen in Lohn und Brot. Dann waren da noch ein Baugeschäft in Goch, mit einer Zweigstelle in Uedem, Inhaber Jan Jansen, eine Gärtnerei in Reichswalde, Besitzer Gerd van den Boom, und als letzter – sieh an – Freund Geldek.
Es würde Monate dauern, mit jedem einzelnen der 690 Schwarzarbeiter zu sprechen. Da war Amtshilfe angesagt. Er mußte die Kollegen in Köln, Münster, Düsseldorf und in sechs Ruhrgebietsstädten bitten, die Leute an ihren Arbeitsstellen zu besuchen und zu vernehmen.
Kunst in der Architektur, das war wirklich ein Ding!
Eugen Geldek kannte das Hochglanzmagazin nur vom Hörensagen, aber soviel war klar: wenn die etwas über einen brachten, hatte man es geschafft. Und daß die erst heute morgen, so kurzfristig, einen Termin für das Interview abgesprochen hatten, konnte nur bedeuten, daß er den Preis tatsächlich kriegen würde. Bei der Presse sickerte so etwas leicht vorher durch, hatte er sich sagen lassen. Wenn man bedachte, was er in den letzten fünfzehn Jahren in dieser Stadt alles hochgezogen hatte, war eine größere Anerkennung schon längst fällig gewesen.
Gar nicht schlecht, daß er schon eine Stunde vor dem offiziellen Termin hier ankam, da konnte er gleich am Museum parken. Später würde hier alles dicht sein. Und morgen bei der Eröffnung mußte es eine Katastrophe geben, das konnte sich jeder Hanswurst ausrechnen. Nie und nimmer würden die umliegenden Parkplätze ausreichen. Aber bitte, bei der Planung dieses Objekts hatte man ihn ja nicht gefragt.
Geldek warf einen letzten gefälligen Blick in den Rückspiegel: sein frisch geföntes Haar saß perfekt. Sie wollten ihn knipsen, am liebsten neben einem Kunstwerk. Ob er mit den Chinesen einverstanden wäre? Keine Frage; das war sowieso das einzige Ding in dem Bau, das ihm gefiel, obwohl er auch da irgendwie nicht wußte, was das mit Kunst zu tun hatte.
Die Eingangstür stand weit offen, und drinnen ging es hektisch zu. Stühle wurden zurechtgestellt, Sektgläser poliert, Mikrofone aufgebaut und ausgesteuert: Test. one, two, Test … one, two …
Ein paar Leute grüßten ihn flüchtig, hielten sich aber nicht weiter auf.
Der Reporter wollte ihn bei den Chinesen treffen, also stieg Geldek in den ersten Stock hinauf, aber
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