Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eulenspiegel

Eulenspiegel

Titel: Eulenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
Vom Netzwerk:
da war kein Mensch. Er sah auf seine Armbanduhr, acht Minuten zu früh, na ja.
    ›Installation‹ schimpften sich solche Kunststücke. Mitten im Raum standen kreisförmig angeordnet, auf eine freie Fläche im Zentrum ausgerichtet, die Skulpturen: lauter kleine, schlitzäugige Männer, alle im selben Anzug und alle mit demselben herzensguten, lächelnden Gesicht. Waren ja wirklich nett, die Kerlchen, bloß, warum hatten die keine Füße?
    Geldek schlenderte zwischen den Figuren umher und stellte fest, daß es doch Unterschiede gab, die Köpfe waren verschieden geneigt und gedreht …
    Er spürte eine Bewegung hinter sich, wollte sich umwenden, aber im selben Augenblick wurde ihm etwas eklig Stinkendes unter die Nase gedrückt. In Panik schnappte er nach Luft, ihm wurde schwarz vor Augen, die Beine gaben nach, und mit einem langen Stöhnen verlor er das Bewußtsein.

    Karin Hetzel machte ein paar Fotos und setzte sich dann zu den Pressekollegen, für die man eine Stuhlreihe an der Längsseite reserviert hatte.
    In den letzten Wochen hatte sie sich schon mehrmals im neuen Kurhaus umgesehen und darüber berichtet, wie außerordentlich die Restaurierung und der Umbau gelungen waren, und auch heute freute sie sich wieder über die Atmosphäre dieses Gebäudes. Die Kunstwerke waren löblich sparsam ausgestellt, ließen und hatten genug Raum.
    Nun machten sich die Redner breit, einer nach dem anderen sagte, was er für sagenswert hielt, mal mehr, mal weniger spritzig. Es gab nicht viel zu notieren.
    Irgend etwas stimmte nicht, das konnte man den Verantwortlichen von den Gesichtern lesen. Sie wisperten miteinander, jemand verschwand aufgescheucht nach draußen, kam ebenso aufgeregt wieder zurück, wisperte weiter. »Aber ich hab ihn doch eben noch gesehen«, schnappte Karin auf.
    Die Pausen zwischen den Reden wurden länger und immer ungemütlicher. Schließlich gab sich der Vorsitzende des Museumsvereins einen sichtbaren Ruck und trat ans Mikrofon:
    »Liebe Freunde! Es ist sehr bedauerlich, daß wir gezwungen sind zu improvisieren, aber leider ist der diesjährige Träger unseres Kulturpreises ganz plötzlich aus dringenden familiären Gründen abberufen worden. Wir haben uns aber entschlossen, ihm den Preis trotz seiner Abwesenheit zu verleihen. Ich bitte nun unsere guten Geister, den Champagner herumzureichen, damit wir wenigstens auf unseren Ehrengast anstoßen können … Meine Damen und Herren, der Träger des Kulturpreises der Stadt Kleve 1997 heißt … Eugen Geldek!«
    Kultivierter Applaus füllte den Saal, Gläser klangen, hier und dort hörte man auch leises Gemurmel, während der Vorsitzende die Begründung verlas. In der ersten Reihe dokterten die anderen Nominierten an ihren Mienen herum – Enttäuschung oder gar Ablehnung hatten hier nichts zu suchen.
    Endlich lud man alle Gäste zu einem Rundgang ein. Karin Hetzel hielt sich im Hintergrund und versuchte, einzelne Kommentare aufzuschnappen. Vielleicht würde sie später den einen oder anderen ausführlicher befragen.
    Als der erste spitze Schrei ertönte, war sie nur wenige Meter vom Zentrum des Schreckens entfernt und schlüpfte schnell in den Raum, bevor das Gedränge losging.
    Amüsiert belächelt von 27 Chinesen lag in der Mitte der Kulturpreisträger Geldek.
    Seine Hand- und Fußgelenke waren mit braunem Isolierband umwickelt und im Rücken dicht aneinander gezurrt; auch um Hals und Stirn schlang sich das Band, und der Kopf war weit nach hinten gekippt fixiert worden. Geldeks Schuhe standen ordentlich neben seinen Füßen, jeder mit einer Socke dekoriert; Hose und Unterhose waren bis zu den Knöcheln heruntergezogen, und von seinem Penis reckte sich keck ein giftgrünes Teufelchen in die Höhe, ein Scherzkondom.
    Ein penetranter Schnapsgeruch lag in der Luft. Geldek rührte sich nicht.
    Die Fotoreporter hatten alle dieselbe Idee: Sie stürmten in den zweiten Stock, wo man von einer Galerie aus die ganze Szene von oben ablichten konnte.
    Wie von einer gläsernen Wand zurückgehalten, standen die Leute um Geldek herum und glotzten.
    »Ekelhaft«, hörte Karin Hetzel eine Frauenstimme.
    Sie drängelte sich nach vorn. »Ruft vielleicht endlich einer den Notarzt?« schimpfte sie und ging neben Geldek in die Hocke. Er atmete.
    »Ist schon passiert«, rief man von hinten.
    Die Menge rumorte, »versoffenes Schwein«, Häme machte sich breit. Jemand schrie nach der Polizei.
    Manchmal erlaubt sich das Schicksal einen Scherz: Die Beamten, die für den Festakt

Weitere Kostenlose Bücher