Eulenspiegel
ein Gedicht.
Astrid hatte sich besonders gefreut, denn eigentlich wäre sie für das Abendbrot verantwortlich gewesen, und sie war erst spät gekommen. Nach der Flaute auf der Arbeit hatte sie sich zu einem Pflichtbesuch bei ihren Eltern durchgerungen.
Das gute Essen und Toppes verliebte Blicke ließen sie übermütig werden. Sie machte sich lustig über ihre snobistischen Eltern und imitierte ihren Vater: »Mein Kind, ein, zwei Intensivlehrgänge, und du hast die Sache im Griff. Du bist doch intelligent. Und dann wäre ich ja für den Anfang auch noch da.«
Gabi lachte. »Hofft er tatsächlich immer noch darauf, daß du die Firma übernimmst?"
»Der wird bis zum letzten Atemzug darauf hoffen.« Toppe schüttete allen noch mal Wein nach, sogar Oliver gestand er einen zweiten Schluck zu. »Und es reizt dich immer noch nicht? Du wärst von heute auf morgen Millionärin, eine gute Partie, sozusagen.«
Sie grinste herausfordernd. »Das bin ich sowieso. Geld macht mich nicht an, daran bin ich gewöhnt. Du weißt doch: der goldene Löffel, den Norbert so gern zitiert. Aber du solltest dir Gedanken machen. Mein Vater bemerkte heute ganz beiläufig, daß ein Kripobeamter im gehobenen Dienst doch eigentlich eine ganze Menge von Verwaltungsarbeit und dergleichen verstehen müßte. Warte mal ab, der bietet dir noch einen Vorstandsposten an.«
Toppe knüllte seine Serviette zusammen. »Da schau her, finde ich doch so langsam Gnade. Der soll bloß vorsichtig sein, ich könnte in Versuchung kommen.«
»Jetzt hört mal auf zu labern«, unterbrach Oliver sie mit kippeliger Bruchstimme. »Ich hab ein geiles Video. Will einer mitgucken?«
Toppe fing an, gelangweilt die Teller zusammenzustapeln.
»Trainspotting!«
»Super«, rief Astrid. »Den wollte ich die ganze Zeit schon sehen. Gib mir fünf Minuten, ich will nur noch eben eine Partie Jeans in die Maschine stopfen.«
»Keine Eile, ich muß sowieso spülen. Aber du bist mit Abtrocknen dran, Mama.«
Toppe folgte Astrid in die Waschküche. Er packte sie von hinten um die Taille, preßte ihren Po hart gegen seinen Unterleib und küßte sie gierig auf den Hals. »Ich will dich.«
Sie drehte sich um und hielt sich an seinen Schultern fest. »Kann es sein, daß du ein bißchen zuviel Wein hattest?«
»Oder zuwenig, wie man’s nimmt«, raunte er und umfaßte ihre Brüste. »Ich will dich jetzt.«
Astrid warf einen Blick auf die offene Tür zur Küche, wo sich Gabi und Oliver stritten. »Ich dachte, du wärst indisponiert …«
Seine Augen leuchteten. »Schrecklich indisponiert, fühl mal.« Er führte ihre Hand.
»Du bist ein Lustmolch, Toppe«, flüsterte sie und öffnete mit der freien Hand die Tür zur Tenne. »Gott sei Dank bist du ein Lustmolch.« Dann zog sie ihn mit ins Dunkle.
Auf das Video hatte er allerdings überhaupt keine Lust, und so nahm er sich dann sein Glas und den restlichen Rotwein mit in sein Zimmer, zog Tucholskys Schloß Gripsholm aus dem Regal und legte sich ins Bett.
Das Telefon riß ihn aus guten Gefühlen. Automatisch sah er auf die Uhr: zehn vor elf.
Es war Ackermann: »Kacke! Sie lagen doch schonn inne Heia. Hätt’ ich nich’ gedacht.«
»Nein, ich war noch wach.« Toppes Zunge verhielt sich höchst ungehorsam.
Ackermann kicherte. »Dann haben Se aber eindeutig einen im Tee, Chef. Find’ ich Klasse, hätt’ ich au’ so gemacht. Wat ich sagen wollt’: Ich hab mir die Hacken abgelaufen un’ Fusseln annen Mund gequatscht, aber nee, beim besten Willen, Glöckner hatte mit de Unternehmermafia nich’ die Bohne zu tun.«
»Ackermann, ich bin aus dem Rennen. Hat Ihnen das keiner gesagt?«
»Hat man, un’ wie man dat hat! Aber wissen Se wat? Wem ich wat sach, dat entscheid’ immer no’ ich. Un’ meine Chefs habbich mir schonn immer selbs’ ausgesucht. Alles klar? So, un’ jetz’ tüddeln Se sich no’ einen. Ich meld’ mich wieder.«
In aller Herrgottsfrühe wachte Toppe auf. Sein Mund war ausgedörrt, aber er hatte keine Kopfschmerzen. Eine Stimme hatte ihn geweckt, nein, es waren zwei Stimmen gewesen.
»Ganz ruhig«, flüsterte er und zwang sich liegenzubleiben. Er horchte, aber alles blieb still.
Eine Flasche Wasser jetzt, das wäre gut.
Auf dem Weg zur Küche waren die Stimmen auf einmal wieder da, die Sätze in seinem Kopf: der Pastor von Bimmen: ›Haben Sie das denn nicht in der Zeitung gelesen?‹ Und dann Ackermann: ›… habbich schonn gedacht, wie ich dat am Freitach inne Zeitung gelesen hab’.‹
Toppe
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