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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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ich zu laut bin? Wohin?
    An den Heizkörper. Mit dem Rücken an die Röhren und dem Hintern auf das Parkett. Bequem? Nein, aber hoffentlich wird es bald warm. Wenn ich nur schlafen könnte.
    Wie spät ist es wohl? Meine Uhr kann ich nicht sehen. Wo bleibt meine Mutter?
    Da ist das Regal. Da liegt das alles, diese ganzen seltsamen Sachen, unter dem Flauschflaum. Warum hat meine Mutter nie mein Tagebuch gelesen? Dachte sie, dass nichts Interessantes drinsteht? Ob sie mir wohl zugetraut hat, dass ich schwanger werde, mit fünfzehn? Ob sie es wohl an meiner Stelle geworden wäre? Was, wenn? Nun, was, wenn. Es ist egal, ich bin schwanger, sie nicht.
    Dass ich bloß nicht abdrehe.
    Ich reibe mir die Augen, und sie tun mir weh.
    Da ist mein Bett. Schon merkwürdig, wie der Mensch Sachen anhäuft und versteckt. Wie ein Eichhörnchen, für irgendeinen seelischen Winter wohl. Und wenn er sie dann nicht findet, verreckt er. Wie das Eichhörnchen mit seinen verbuddelten Nüssen, irgendwann wacht es auf und kann sich nicht erinnern, »Wohin?«, und rennt im Zickzack Spuren in den Schnee und stirbt dann, Fellschneeklumpen bis
es taut. Und die Nüsse gräbt ein anderer aus und freut sich darüber. Schon furchtbar.
    Da ist meine Mutter. Sie schließt die Wohnungstür auf, und ihr Anorak raschelt. Sie wird auch draußen nicht gefroren haben in diesem Anorak. Sie hängt die Schlüssel an den Haken neben der Tür, streift sich die Schuhe ab, so dass sie dumpf auf den Boden fallen, und raschelt sich dann durch die Wohnung. Zu mir?
    Ich atme nicht mehr. Ich bin im Heizkörper, mucksmäuschenstill.
    Nein, nicht zu mir. Sie geht in die Küche. Kehrt um. Zieht sich doch den dummen Anorak aus. Was macht sie in der Küche? Trinken, was sonst. Saufen. Wie konnte ich nur so leben? Wie kann sie es? Mir antun? Wie ich ihr? Ich will nie so sein wie sie. Nie.
    Ich höre sie lange schweigen und sitzen und Wein trinken. Nicht aus unserer Flasche, die war ja leer, aber sie hat genug andere. Dann gießt sie sich ein letztes Glas ein und wirft auch diese Flasche in den Abfalleimer unter der Spüle, ihr Flaschenversteck. Sie schleicht ins Schlafzimmer, nicht aus Sorge um meinen Schlaf, ganz klar. Sie ist besoffen. Solange sie nicht kotzt, ist mir das egal.
    Die Heizung strahlt in meinen Rücken, und ich schlage die Beine unter. Die Luft flirrt grau weiter.
    »Das Frühstück ist fertig.«
    Doch geschlafen. Doch normal geblieben. Doch angesprochen?
    Meine Mutter. Kein Friedensangebot. Aber Sprache.
    Ich rappele mich zu schnell auf, und der Raum bleibt schwarz-weiß vor meinen Augen. Schlechter Kreislauf.
    »Ich dusche nur kurz.«

    Die Heizung hat mir die Kleidung direkt auf die Wirbelsäule gebrannt. Ich schwitze dickflüssig aus allen Poren, und meine Haare sind fettig. So spricht man sich nicht aus.
    »Nein, das Frühstück ist jetzt fertig.«
    Warum dieser Stress? Warum diese Kälte? Wenn man schon spricht, warum legt man dann keine Liebe in seine Worte? Wenn Sprachentzug Liebesentzug ist, ist dann Sprache nicht Liebe?
    Ich schüttele mich, nachdem die Fata Morgana meiner Mutter wieder aus meinem Zimmer verschwunden ist. Unwahrscheinlich, dass irgendetwas wahr ist von dem, was ich hier erlebe. Alles ein Traum, ein Film, ein Etwas.
    Verdammte Hitze. Sie steigt mir in den Kopf. Nach der Kälte davor ist mein Gehirn jetzt geschmolzener Matsch. Wenn doch der Sommer wiederkäme.
    Ich ziehe mich an. Doch, ich ziehe mich an. So lange wird sie warten müssen. Ich will das Gespräch ohnehin hinauszögern. Ich weiß, dass ich das will. Gestern hätte es funktionieren können. Heute geht es nicht mehr. Es ist vorbei. Meine Haut stinkt nach Angst. Ich habe kaum geschlafen und spüre es an meinen verschlossenen Poren. Keine Luft. Was wird meine Mutter sagen? Sie kann immer alles ruinieren. Mit einem Wort, einem Satz, einem Blick.
    Ich trage einen alten Pulli auf der nackten Haut, keinen BH, ich muss doch irgendwie atmen können. Habe wieder die Jeans von gestern an. Socken habe ich auch keine frischen gefunden. Meine Haare sehen bestimmt aus wie eine Hundedecke, aber ich habe keinen Spiegel in meinem Zimmer. Habe ich mich gestern abgeschminkt? Wieder einmal vergessen. Vermutlich blühen tausend Pickel auf meiner
Stirn, und in den Hautfalten klebt verschmiertes Make-up. Ich bin so widerwärtig.
    Warum riecht meine Mutter nach Toastbrot? Warum sieht man ihr nicht an, dass sie in der Messe war und danach gesoffen hat? Warum ist sie eine bessere Schauspielerin als

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