Euro Psycho
um. Woher weiß dieser Benutzer, dass ich mich gerade eingeloggt habe? Und dann ein weiterer Kommentar.
@kevishly In zehn Tagen spielst du gegen Dynamo GazLuc.
Stimmt.
@kevishly Eine Million Euro, wenn ihr verliert. Du weißt, dass ich zahle.
Verdammte Scheiße!
Was zum …? Das muss der Wichser sein, aber woher weiß er, dass ich gerade auf Twitter bin? Ich habe keine Nachricht verschickt. Das ist echt finster, und es macht mich wütend.
Mids ist ein kleiner Computerfreak. Vielleicht weiß er, was hier abgeht.
Ich brülle aus der Umkleidekabine. Kein Mids, keine sexy Verkäuferin. Niemand.
Und was ist das? Ich schaue zur Spiegelglasfront des Ladens. Womit ist sie beschmiert? Sieht aus wie Farbe. Riesige Buchstaben. Alles noch ganz frisch, etwas davon tropft zähflüssig die Scheibe hinunter. Ich renne auf die Straße und halte nach dem Übeltäter Ausschau, kann jedoch niemanden entdecken. Ich drehe mich um und schau mir die Sache genauer an. Was steht da auf dem Fenster? Irgendein Wort. Dann kapiere ich.
Rukatschut hat jemand in großen Lettern an meine Filiale geschmiert.
Rukatschut haben die Fans bei meinem Debüt gebrüllt. Das heißt Betrüger .
Was soll ich jetzt tun? Ich bin unschuldig.
Mit Verspätung tritt Mids zu mir raus auf die Straße. »Was zum Henker ist das, Kev?«
»Hast du was mitgekriegt?«, frage ich.
»Nichts. Hab gerade eine Wurst in die Schüssel gelegt, Kumpel.«
Das ist ein echter Affront. Ich stecke in der Klemme. Der Wichser will schon wieder was von mir, und jetzt das hier. Offensichtlich hat ein verärgerter Fan meinen Laden verunstaltet. Ich werde mir das nicht bieten lassen. Euer Kev wird nicht tatenlos dabei zusehen. Ich muss mich zur Wehr setzen, mir den Wichser schnappen. Beweisen, dass er mich reingelegt hat, um meinen guten Ruf wiederherzustellen. Und ich muss noch etwas herausfinden …
Wenn jemand beim Champions-League-Finale mit seinen hohen Wetteinsätzen drei Millionen raushaut, um den Spielausgang zu manipulieren, liegt es doch auf der Hand, dass es sich auszahlt.
Aber eine Million, um einen Kick im Couscous zu verschieben?
Niemand kann unbemerkt eine so hohe Summe auf eine Partie setzen, um das Schmiergeld wieder rauszukriegen.
Die Fernsehrechte und Prämien in der Liga sind weniger wert als der Wetteinsatz. Das heißt, es geht bei diesem Spiel um etwas, das nichts mit Fußball zu tun hat.
Fragt sich nur: Um was?
Nokney-Akzent
Ich lasse meinen Blick über die riesige Betonschüssel des Dynamo-Stadions schweifen und halte Ausschau nach dem großen Kinn des Verräters. Vergeblich. Unsere Anhänger auf der Südtribüne aber verblüffen mich. Sie tragen zwar immer noch ihre Premier-League-Trikot-Imitate, doch es sind fünfmal so viele Fans wie bei unserem letzten Heimspiel.
»Wie kann es sein, dass hier mehr Fans als bei unserem Heimspiel sind?«, frage ich Vik Dink.
»Als Dynamos Vereinspräsident Bürgermeister war«, erklärt Vik, »hat er von dem Bezirk, in dem die meisten unserer Fans wohnen, eine kostenlose Straßenbahnverbindung zu seinem Stadion gebaut, in der Hoffnung, uns so unsere Fans abspenstig zu machen.«
Smarter Bursche.
Die Spieler beider Teams haben sich, die Arme auf den Schultern des Nebenmanns, im Mittelkreis versammelt, um für einen Moment ihre Solidarität zu bekunden. Unser Präsident, König David, und der des Gegners, der Oligarch Lazor Duran, seines Zeichens elftreichster Mann Europas, stehen links und rechts des Schiris am Anstoßpunkt. Lazor – ein grobschlächtiger Mann, der auf goldene Wasserhähne steht und den Verein Dynamo GazLuc nach seinem Erstgeborenen Luca und der Quelle seines Vermögens umbenannt hat – hält ein Mikro in der Hand und beendet gerade eine Ansprache.
»Und so stehen wir Schulter an Schulter, zwei Clubs vereint, im Angesicht dieser schrecklichen Ereignisse.«
Klingt schwer nach 11. September, Alter. Trotzdem, er strahlt eine gewisse Würde aus. Eton und Oxford stehen ihm förmlich auf die Stirn geschrieben. Mit einem Mont-Blanc-Stift. Unübersehbar. Trotz der Bärenfell-Gene, mit denen er geschlagen ist. Er reicht König David das Mikro.
»Die Situation ist für unsere Fans ein wenig verwirrend«, sagt König David. »Denn auch wenn Murman Abbasow vor Kurzem bei uns in Ungnade gefallen ist, war er dem Verein über Jahre treu ergeben. In seiner Anfangszeit gab es keinerlei Hinweise darauf, dass er den finsteren Kräften, die sich des Fußballs bemächtigt haben, erlegen war … Wir betrauern
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