Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
zur demokratischen Stabilität Westeuropas beigetragen hat. Mit der ersten Direktwahl des Europäischen Parlamentes 1979 wird auch ein wichtiger Schritt zur demokratischen Legitimität der Europäischen Gemeinschaft selbst unternommen.
3. Die Ergänzung des Gemeinsamen Marktes durch eine gemeinschaftliche Außenhandelspolitik gelingt ebenfalls.
4. Das von der Gemeinschaft errichtete Netz von internationalen Präferenz- und Assoziierungsabkommen stärkt ihre internationale Stellung und ermöglicht eine aktivere Entwicklungspolitik.
Daneben ist aber nicht zu übersehen, dass der Durchbruch zu einer WWU nicht erreicht werden konnte. Es zeigt sich allerdings, dass die Gemeinschaft gezielt über die vertraglich fixierten Politikbereiche hinausgreift, sobald es von der Aufgabenstellung her sinnvoll erscheint. Dies trifft insbesondere für die Etablierung neuer Instrumente zu, die zum Teil neben der EG, aber in enger politischer Zuordnung eingerichtet werden (z. B. die Europäische Politische Zusammenarbeit [EPZ] zur Kooperation in der Außenpolitik, der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs als politischer Richtungsgeber und das EWS), gilt aber auch für die Umstellung der Gemeinschaftsfinanzierung, für die Kompetenzverlagerung in der Gemeinschaft durch Übertragung von Haushaltskompetenzen an das Europäische Parlament oder die Verabschiedung des Gesetzes zur Europawahl.
Aus dem Überschreiten der Kernbereiche der Römischen Verträge ergeben sich jedoch neue Integrationsprobleme. Denn um Fragen von nicht originärer Zuständigkeit in EG-Verantwortlichkeiten einzubeziehen, ist es notwendig, nationale Politiken zu koordinieren. Das Spektrum politischer Strategien weist also zwei konkurrierende Ansätze auf: Supranationale Entscheidungsfindung und internationale Koordination stehen nebeneinander. Es entwickelt sich durchaus die Gefahr, dass die Strategie internationaler Koordination die supranationale Strategie unterlaufen kann. Der Status quo der Integration verlangt geradezu übermächtig nach weiteren Schritten: nach einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik, einer gemeinsamen Außenpolitik, einer gemeinsamen Regional- und Sozialpolitik und nach neuen Institutionen. In diesem Zusammenhang kommt es zu wichtigen Reforminitiativen. 12
So durchbricht 1982 der Ministerrat erstmals die durch den Luxemburger Kompromiss selbst auferlegte Blockade des Einstimmigkeitserfordernisses. Angesichts der starren Haltung der Briten, die eine Entscheidung über Agrarpreise verhindern, um so ihre damit gar nicht in Zusammenhang stehenden haushaltspolitischen Forderungen durchzusetzen, entscheidet der Ministerrat mit der laut Vertrag erforderlichen qualifizierten Mehrheit über die Agrarpreise. Großbritannien, Dänemark und Griechenland nehmen an der Abstimmung nicht teil. Damit hat eine subtile Verschiebung der politischen Akzente stattgefunden: Die Feststellung des Gemeinschaftswillens wird nicht schematisch dem kompromisslosen Diktat der Mehrheit, aber auch nicht mehr automatisch dem Veto der Minderheit unterworfen. Dieser außerordentliche Vorgang ist nur vor dem Hintergrund nachzuvollziehen, der sich aus der zeitlichen und politisch-atmosphärischen Verquickung von drei gewichtigen Problemstellungen ergeben hat: die gemeinschaftliche Haltung im Falkland-Konflikt, die Verhandlungen um den Finanzausgleich für Großbritannien und die Festsetzung der Agrarpreise.
Wichtig und interessant ist vor allem die Interpretation, die Frankreich der Mehrheitsabstimmung im Ministerrat gibt. Die französische Regierung lässt erklären, der Luxemburger Kompromiss gebe jedem Mitglied die Sicherheit, dass ihm keine Entscheidung aufgezwungen werde, gegen die es ein vitales Interesse vorbringen könne. Es könne aber nicht Sinn dieses Vorbehaltes sein, einem Mitglied die Möglichkeit zu geben, das normale Funktionieren der Gemeinschaftsprozeduren zu verhindern. Frankreich hat damit seine Interpretation des Luxemburger Kompromisses gemeinschaftsfreundlich akzentuiert und korrigiert.
Ein ganzes Motivbündel – Notwendigkeit der EG-Reform, sinkende Popularität des Europa-Gedankens, Ablenkung von der finanzpolitischen Diskussion – mag den deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher bewogen haben, 1981 eine neue Europa-Initiative anzukündigen. Genscher nimmt einen seit vielen Jahren benutzten, aber immer noch sehr unscharfen Zielbegriff der Europapolitik auf: die Europäische Union. Er schlägt vor, dieses Ziel durch
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