Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Kultur und eines entsprechenden Bewusstseins hat sich zugunsten einer Europäisierung des Parteiensystems ausgewirkt. Die in den Europäischen Parteien institutionalisierte transnationale Zusammenarbeit hat nicht zuletzt die Einstellung und das Verhalten der Führungsgruppen der nationalen Parteien beeinflusst. Nach und nach ist ihnen auch die Vorstellung zur Selbstverständlichkeit geworden, dass die politischen Parteien auf der Ebene der Union präsent sein müssen, um hier ihre Interessen zu wahren, Einfluss zu nehmen und mitgestaltend tätig werden zu können. 15
Dies geschieht durch den Zusammenschluss von ehemals ausschließlich im nationalen Rahmen organisierten Parteien und ihrem gemeinschaftlichen Tätigwerden als Europäische Parteien. Sie geben sich dabei eine Organstruktur, die nach dem Vorbild der meisten ihrer Mitgliedsparteien funktioniert: Ein Delegiertenkongress entscheidet über das politische Programm, ein Vorstand befasst sich mit aktuellen Fragen und den laufenden Geschäften, ein Vorsitzender (gestützt auf ein Präsidium) spricht für die Partei und stellt sie nach außen dar, ein Generalsekretär (gestützt auf eine Geschäftsstelle) ist verantwortlich für die interne Kommunikation und sichert die technisch-organisatorischen Voraussetzungen für die Arbeit der Gremien sowie die Umsetzung ihrer Ergebnisse. 16
In Anlehnung an ähnliche Strukturen in einigen Mitgliedsparteien sind die Europäischen Parteien dazu übergegangen, transnationale Kooperationsverbände
für bestimmte Kategorien von Mitgliedern zu gründen. So sind unter anderem europäische Vereinigungen von sozialdemokratischen beziehungsweise christlich-demokratischen Jugendlichen, Frauen und Arbeitnehmern entstanden. Sie sollen die Europäischen Parteien auf eine breitere gesellschaftliche Grundlage stellen und in der jeweiligen Mitgliedschaft verankern, indem sie zugleich dazu beitragen, die vereinbarte Programmatik in die verschiedenen Milieus der nationalen Parteien zu vermitteln.
Die Europäischen Parteien verfügen nicht nur im Europäischen Parlament über Fraktionen. Sowohl im Ausschuss der Regionen als auch in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bestehen Fraktionen, die sich darum bemühen, im Rahmen ihrer Versammlungen die Programme der jeweiligen Parteien zur Geltung zu bringen. Auch im Europäischen Konvent (2002/2003) haben sich die Mitglieder, die den verschiedenen Europäischen Parteien angehören oder ihnen nahe stehen, zu informellen Fraktionen zusammengefunden; ihre Beiträge und vor allem ihre Integrationsleistung haben wesentlich dazu beigetragen, dass ein Konsens über einen Verfassungsentwurf erzielt werden konnte.
Darüber hinaus führen die Europäischen Parteien regelmäßig die Parteiführer der Mitgliedsparteien und die ihnen angehörenden Regierungschefs oder Außenminister zusammen, um ihnen zur Beratung der Tagesordnung des Europäischen Rates und sonstiger Fragen Gelegenheit zu geben, die eine Diskussion und Beschlussfassung auf höchster Ebene erforderlich machen. Diese Treffen haben im Laufe der 1990er Jahre zunehmend an Wichtigkeit gewonnen und belegen damit den Bedeutungszuwachs der Europäischen Parteien, die mehr und mehr in der Lage sind, die Aktionseinheit ihrer Mitglieder zu organisieren.
3.3 Der Charakter der Europäischen Parteien
Die Europäischen Parteien können und wollen nicht Parteien nach einem bestimmten nationalen Vorbild sein, denn sie sind nicht auf allen Ebenen (Staat, Region, Gemeinde) nach einem einheitlichen Schema organisiert. Sie respektieren die bestehenden, gewachsenen und bewährten Strukturen ihrer Mitgliedsparteien, auf denen sie aufbauen und auf die sie sich stützen. Es handelt sich also um föderative Parteien, welche die Aktionseinheit ihrer Mitglieder auf europäischer Ebene organisieren und politisch zum Tragen bringen wollen.
Die Definition der Europäischen Parteien als »föderative Vereinigungen von nationalen Parteien« entspricht der bisherigen Entwicklung. Tatsächlich
handelt es sich bei den uns bekannten Europäischen Parteien um Föderationen, deren Mitglieder »sich zu einer ständigen Zusammenarbeit auf der Grundlage einer vereinbarten Satzung und eines von den zuständigen Organen verabschiedeten Programms zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Politik verpflichten«.
Auch die anderen Elemente der eingangs vorgeschlagenen Definition entsprechen der tatsächlichen Entwicklung, aber ebenso einem theoretischen Erfordernis: Eine
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