Europa nach dem Fall
jungen Arabern. Die Restaurantkette Maroush gehört sicherlich nicht zu den billigen (und hat sich vergrößert, seit ich das letzte Mal davon schrieb), und die arabischen und nordafrikanischen Popstars und Bauchtänzerinnen sind gut bezahlt. Hasir wird als bestes türkisches Restaurant Berlins empfohlen; der Name bedeutet nicht »Schwein«, wie Studenten der semitischen Sprachen denken mögen – das wäre besonders unangebracht. In regem Gebrauch stehen Wasserpfeifen (Schischas oder Nargiles genannt) in Berlin. Auf den Straßen von Kreuzberg und Neukölln sind die Maseratis eher rar, aber es gibt ein Restaurant namens Baghdad in der Schlesischen Straße. Das beste levantinische Essen in Paris soll es im Meurice geben, das drei Michelin-Sterne hat; die Behauptung, es sei dort »nicht billig«, wäre eine Untertreibung.
Musik ist ein integraler Bestandteil der muslimischen Kultur in Europa, mit Abdel Ali Slimani in London und Cheb Khaled (dem König des Rai, einer nordafrikanischen Musikrichtung) in Paris. Die französischen Rapper, die sich des Rai bedienten, eroberten die Bühne als Erste (1984 in Bobigny, um genau zu sein), doch sie treten fast ausschließlich vor Landsleuten auf, wohingegen in London junge Engländer und Engländerinnen auch zu solchen Konzerten gehen. Neukölln ist nicht so von Musik erfüllt, da hier im Gegensatz zur Pariser Banlieue die Bevölkerung noch ethnisch gemischt ist (aber es gibt auch Hardcore-Rapper im türkischsprachigen Berlin). Hier herrscht noch ein politischer und kultureller Widerspruch, weil muslimische Fundamentalisten, allen voran die Muslimbruderschaft, strikt gegen musikalische Unterhaltung sind, ganz zu schweigen von Bauchtänzerinnen. Doch würden sie versuchen, in den entsprechenden Stadtteilen von Paris oder London ihren Willen durchzusetzen, würden sie viel von ihrer Popularität einbüßen. Die Rapper aus der Banlieue haben mehr Zulauf als die Imame; in ihrer Musik erwähnen sie den Islam, Allah und Mohammed auf eine von den Predigern oft missbilligte Weise. Die Unruhen von 2005 wurden von einigen Predigern vorhergesagt, andere gemahnten zur Besonnenheit. Wir werden darauf noch zurückkommen.
All das hat überhaupt keine Ähnlichkeit mehr damit, wie die Viertel in den 1950er- und 1960er-Jahren aussahen, als dort englische, französische oder deutsche Arbeiter wohnten. Die Einheimischen sind größtenteils weggezogen, und einige Viertel sind ein wenig bunter geworden (in Paris weniger als in London). Es gab einmal eine Zeit, da war die rote Banlieue die Hochburg der französischen Kommunisten, doch das ist lange vorbei.
Solche Besuche bilden, doch abgesehen von ihrem folkloristischen Reiz bieten sie auch einen Blick in die Zukunft. Diese Gebiete breiten sich aus, und innerhalb einer Generation werden sie wahrscheinlich einen viel größeren Raum in den Großstädten Europas einnehmen, ein schleichender Prozess, der sich beobachten lässt, in Berlin etwa in Tiergarten oder Moabit. In welche Richtung werden sie sich ausdehnen? Westlich der Edgware Road liegt Bayswater, das seit Langem ein arabisches Territorium ist. Im Süden befindet sich der Hyde Park und im Osten das West End mit teuren Geschäften. Die Oberschicht aus dem Nahen Osten ist schon lange nach Knightsbridge und Kensington in die Nähe ihrer Botschaften gezogen. In Berlin gibt es keine türkische Oberschicht, nur eine Mittelschicht, einstweilen noch klein, die in gewisse Straßen in Schöneberg, Charlottenburg und anderen westlichen Stadtteilen gezogen ist. Doch sie tritt nirgendwo konzentriert auf.
Es stimmt, dass der Norden Neuköllns verschönert wurde und Wohnungen dort nicht mehr billig sind, und in gleicher Weise müssen Sie nahezu eine Million Dollar für eine Wohnung auf der Isle of Dogs (beispielsweise in den Seacon Towers) zahlen, die zum East End gehört. Doch in diesen gentrifizierten Bereichen siedeln sich eher britische Yuppies als pakistanische oder türkische an. Die Immobilienblase ist schon etwas angestochen. Die Preise sind zwar noch hoch, aber eine Zweizimmerwohnung ist für 600 000 Dollar dort zu finden, wo vor noch nicht allzu langer Zeit ein Slum war. Viele der hier lebenden jungen Leute haben allerdings in der Innenstadt gearbeitet und nun ihre Jobs verloren.
In den europäischen Städten finden große Veränderungen statt. Werden sie alle einseitig sein und nur die Einheimischen, nicht aber die Neuankömmlinge betreffen? Vielleicht werden die muslimischen Frauen sich statt
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