Europa nach dem Fall
holländischen Städten sind höher. Prognosen zufolge wird der Anteil von Ausländern (zumeist Muslimen) in westdeutschen Städten wie Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Duisburg und vielen anderen im Jahr 2015 mehr als 40 Prozent betragen. Insgesamt wird sich die Zahl der Muslime in Deutschland im nächsten Jahrzehnt verdoppeln, während die einheimische deutsche Bevölkerung wegen der niedrigen Geburtenrate und bedingt durch Auswanderung abnehmen wird.
Das Problem, vor dem westeuropäische Gesellschaften stehen, ist sehr oft die zweite und dritte Generation der jungen Einwanderer, von denen erwartet wurde, dass sie sich integrieren und gleichberechtigte Mitglieder dieser Gesellschaften werden, die aber im Gegenteil gegen ihr Gastland revoltierten. Als Ursachen dafür werden gewöhnlich Armut (zwei Drittel der britischen Muslime leben in einkommensschwachen Haushalten), unangemessene und zu enge Wohnverhältnisse, Ghettoisierung, Arbeitslosigkeit (besonders der Jugendlichen), mangelnde Bildung und rassische Vorurteile ihrer nicht-muslimischen Umgebung angegeben – was alles angeblich zu einem Mangel an sozialer Mobilität, zu Verbrechen und zu einer allgemeinen Marginalisierung der muslimischen Gemeinschaften führt. Muslime hingegen, die geschäftlich und beruflich erfolgreich sind, erklären beinahe ohne Ausnahme, dass ihre ethnische Identität sie nicht im Geringsten behindert habe.
In welchem Ausmaß ist die Ghettoisierung von außen aufgezwungen worden und bis zu welchem Grad war sie selbst herbeigeführt? Dass Zuwanderer sich in bestimmten Stadtteilen »ansammeln«, ist wohlbekannt. Das lässt sich beispielsweise in London beobachten, wo traditionellerweise Iren (Camden Town, Kilburn), Juden (East End und später Golders Green), Australier und Polen (in der Nähe von Earls Court und Olympia), Schwarze (Brixton), Japaner (South Hampstead) und andere Neuankömmlinge sich zuerst in bestimmten Vierteln ansiedelten. Es trieb sie der Wunsch, unter Menschen zu sein, die ihre Sprache sprachen, in Geschäften einzukaufen, in denen es Lebensmittel und Speisen aus ihren Heimatländern gab, und sie wollten eigene Reisebüros, Clubs und andere Organisationen haben. Die russischen Emigranten, die in den 1920er-Jahren nach Berlin kamen, ließen sich in Charlottenburg nieder, während arme Juden aus Osteuropa sich im Ostteil der Stadt ansiedelten.
Ein ähnlicher Prozess fand auch bei muslimischen Einwanderern statt, doch mit einem grundlegenden Unterschied. Die früheren Einwanderer erhielten keine staatlichen oder kommunalen Mietzuschüsse, wohingegen eine solche Hilfe in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eher zur Regel als zur Ausnahme wurde. Aus diesem Grund gab es wenig Anreiz, aus Wohnungen auszuziehen, wie unangemessen oder unerfreulich diese auch sein mochten, wenn sie kostenlos oder billig waren. Als osteuropäische Juden gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Whitechapel zogen, war da kein Bürgermeister von London, der keine Mühe scheute, ihnen zu helfen. Sie und andere Einwanderer mussten alleine zurechtkommen und hatten mit unvergleichlich größeren Widrigkeiten (kein Gesundheitssystem und keine Sozialfürsorge) als die heutigen Migranten zu kämpfen. Muslimische Zuwanderer bleiben offensichtlich lieber länger mit ihren Glaubensgenossen zusammen als andere Einwanderergruppen und werden von ihren Predigern noch ermuntert, dies zu tun. Das trifft sogar auf Indien zu, wo die Ghettoisierung größer ist als in Europa; selbst mittelständische Muslime scheinen nicht geneigt zu sein, die Gebiete zu verlassen, in denen Mitglieder ihrer Gemeinschaft wohnen.
Das Gebiet um Paris, wo viele muslimische Einwanderer wohnen und das im November 2005 explodierte, war ungemütlich und unansehnlich, aber es handelte sich nicht um Slums wie das Londoner East End der Vergangenheit. Doch in genau diesen Vierteln wuchs nach den Worten eines ausländischen Besuchers, Theodore Dalrymple ( Die Barbaren vor den Toren von Paris im City Journal, Herbst 2002), eine »Anti-Gesellschaft« auf, von brennendem Hass auf das andere Frankeich verzehrt und mit einem tiefen Misstrauen und voller »Entfremdung«. Dieser Hass, so Dalrymple, zeigt sich in dem Verlangen, »alles um sich herum« mit Graffiti »zu vernarben«. »Wohlwollen schürt noch den Ärger der jungen Männer«, und während sie einen weitaus höheren Lebensstandard (und Konsum) genießen als im Land ihrer Eltern, ist das kein »Grund zur Dankbarkeit –
Weitere Kostenlose Bücher