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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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im Gange ist, sollte sich der Nachschub aus der Luft zunehmend einfacher gestalten.
    Das steht außer Frage, sagte Paulus gnädig, mit einem Kopfnicken, das nicht enden wollte.
    Herr Generalmajor, darf ich vielleicht kurz unter vier Augen mit Generaloberst Paulus sprechen?
    Ausgeschlossen, erklärte Generalmajor Schmidt.
    Wie Sie wünschen. Herr Generaloberst, wir verstehen Ihre moralische Position. Streng genommen sind Sie der Heeresgruppe Don unterstellt, aber der Führer hat Ihnen direkten Befehl erteilt, Stalingrad zu halten, und vielleicht haben Sie das Gefühl, dass das Unternehmen Donnerschlag dazu im Widerspruch stehe. Unter den obwaltenden Umständen ist Feldmarschall von Manstein bereit, Sie von Ihrer Verantwortlichkeit zu entbinden …
    Wem gegenüber?
    Dem OKW .
    Dem Führer, wollten Sie sagen.
    Generalmajor Schmidt schnipste sich lächelnd ein Stück Schmutz vom silbernen Sturmabzeichen und sagte: Mir sind schon ein paar von Ihrer Sorte begegnet, Herr Major.
    Nun, nun, sagte Paulus in das allgemeine Schweigen. Der Vorschlag des Feldmarschalls kommt, um das Mindeste zu sagen, überraschend. Und wie genau würde dieses mich Entbinden vor sich gehen?
    Er würde ihnen den direkten Befehl erteilen, Donnerschlag einzuleiten. Als Ihr vorgesetzter Offizier würde er dann die Konsequenzen tragen.
    Verstehe, sagte Paulus. Das war ein außerordentlich interessantes Gespräch, Herr Major.
53
    Am 19.12.42 ließ er dem Oberkommando der Wehrmacht eine Warnung übermitteln, die maximale Reichweite seiner Panzer sei nun auf zwanzig Kilometer geschrumpft. Am Fluss Myschkowa setzten die Bolschewisten ihm schwer zu. Feldmarschall von Manstein hatte eben den streng geheimen Befehl erlassen, die Unternehmen Wintergewitter und Donnerschlag bei nächster Gelegenheit in Gang zu setzen. Am 23.12.42 zwitscherte der Fernschreiber:. Es war Feldmarschall von Manstein.
    In Paulus Gedärmen begann sich Angst zu regen.

    Er starrte an die Wand über der Schreibkraft, die ihrerseits ins Nichts blickte, die bläulich angelaufenen Finger gehorsam in die Tasten des Fernschreibers gekrampft, und dann ging Paulus auf und ab und diktierte: Donnerschlag schwierig geworden, da Feind vor Südwest- und Südfront seit Tagen schanzt und hinter dieser Abwehrfront nach Funknachrichten 6 Panzerbrigaden bereitgestellt hat.
    Leider blickte die Schreibkraft ihm nun schrecklich direkt in die Augen, und zwar flehend.
    Anlaufzeit für Donnerschlag, fuhr er fort, jetzt auf 6 Tage zu veranschlagen. Man muss sich darüber klar sein, dass auch jetzt Donnerschlag äußerst schwierig, wenn nicht Hoth starke Kräfte von außen bindet. Habe ich mit diesem Gespräch schon Vollmacht, Donnerschlag einzuleiten? Es lässt sich dann nicht mehr zurückdrehen.
    Die Schreibkraft betete.
    antwortete der Fernschreiber, und eine Träne rann der Schreibkraft über das käseweiße Gesicht.
54 Paulus tat, als sähe er sie nicht; aus reiner Freundlichkeit. Selbst verspürte er nichts als Erleichterung. Immer, wenn er an Ausbruch dachte, brach ein Schrecken aus ihm heraus wie Schweiß, der ihm irgendwie schmutzig vorkam; bis in die Knochen war ihm klar, dass die Sache unmöglich war; solange er aushalten könnte, würde er sich keine weitere Schande machen. Und er hatte das Gefühl, dass der Führer in der fernen Wolfsschanze ihn verstand. Wenn er hier in Stalingrad nur weiter so lange wie möglich sein Bestes gab, würde unser Führer ihm vergeben und ihn schützen. Man konnte doch niemanden, der hier blieb, einen Feigling nennen …
    Weihnachten kürzte er die Brotration auf fünfzig Gramm pro Tag, obwohl man ihn benachrichtigt hatte, dass bald die-Division »Wiking« in Salsk eintreffen werde, was die Verteidigung des westlichen Don bis zu einem gewissen Grad stärken könne. (Dass Feldmarschall von Manstein die-Division »Wiking« anderer feindlicher Übergriffe wegen nicht würde entbehren können, als sie dann kam, wusste er noch nicht.) Er ließ die Bemerkung fallen: In Frankreich kämpfen, das war eine andere Sache, das kann ich Ihnen sagen! … – Aber die Entsatztruppen kämpften sich vorwärts; ihre Vorauskommandos kamen sogar bis in Sichtweite des Mündungsfeuers in Stalingrad. Feldmarschall von Manstein forderte ihn zum Angriff auf. Das war natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.
    Am Weihnachtsabend nahmen die Russen die Ruinen der Schestakow-Brücke ein, treu nach einem seiner Merksätze: Alles ist nur eine Frage der Zeit und der Kampfkraft. Die Kampfkraft-Frage

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