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ich in Workuta verbracht habe, als sie mir die Zähne ausgeschlagen und die Nieren kaputtgemacht haben; worauf sie erwiderte: Hör zu, wir haben alle unter dem Krieg gelitten, sogar ich, die du alleingelassen hast, als du Polenmädchen vergewaltigen und in den Gräben Ukrainermädchen erschießen gegangen bist; jeder weiß doch, was du getrieben hast; außerdem bist du ein Mann in den mittleren Jahren, und bei all dem Bier, das du herunterkippst, hätten deine Nieren sowieso bald den Geist aufgegeben. – Nachdem ich ihre Gemütsverfassung ausgekundschaftet hatte (wie mein alter Kommandeur gesagt hätte, er war in irgendeinem Kohlebergwerk bei Tiflis an der Grippe gestorben), ließ ich mich sozusagen zurückfallen; ich gab meine Stellung auf, in der Hoffnung, noch etwas retten zu können; ich ging in die innere Emigration. Sollte sie doch vom Schicksal reden, so viel sie wollte. Ich wenigstens machte mir nichts vor!
Es begab sich, dass ich mir ein Schmankerl zurückgelegt hatte, unter den Polstern meines Lehnsessels. Unmittelbar bevor ich ins Krankenhaus musste, veröffentlichte der Athenäum Verlag die Memoiren meines Helden, des Feldmarschalls von Manstein. Ich halte mich zwar nicht für einen Bücherwurm, aber mir schien, es ziemte sich, dass ich Flagge zeigte, sozusagen, besonders nachdem der arme alte Mann kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden war, vierzehn Jahre vor der Zeit, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt – die einzige gute Tat, für die ich diesen »Alliierten« jemals dankbar sein werde. Vier Jahre lang kam ich nicht dazu, wegen des Granatsplitters in meinem Kopf, aber schließlich hörte das Ding auf zu wandern, also fand ich ein wenig Ruhe, und da war er, mitten auf dem Schutzumschlag, in seiner ganzen grauen Würde, Eisernes Kreuz mit Eichenlaub. Das Buch trug den Titel Verlorene Siege.
Ich war schon immer der Ansicht, dass wir den Krieg hätten gewinnen können, wenn man Paulus erlaubt hätte, auszubrechen und sich mit von Mansteins Truppen zu vereinen, und das habe ich vielen Menschen vorgerechnet, sogar einem der Wärter in Workuta.
2 Von Manstein hätte uns wirklich alle retten können.
Immer wenn ich daran denke, was aus Deutschland geworden ist oder aus meinem miesen kleinen Leben, oder wie meine Nichte mit
vierzehn umkam, von den Amerikanern in Dresden verbrannt, übermannen die Gefühle mich so sehr, dass ich mit den Zähnen knirschen muss, und dann sagt meine Frau wieder zu all ihren Freundinnen: Er hat seine Anwandlungen. Meinen Bruder hat sie nie gemocht, den ehemaligen Ingenieur, der heute hinter den Grenzsperren dieser sogenannten »Deutschen Demokratischen Republik« gefangen sitzt, den Kommunisten die Hauptabwasserleitungen flickt und fast nichts verdient; mein armer Bruder, den ich nie wiedersehen werde (auch wenn er mich immerhin noch anrufen kann); auch er ist ein Opfer der tief gestaffelten Illusionen unseres Oberkommandos. Sie behauptet, er habe sie nicht mit offenen Armen in die Familie aufgenommen. Als wenn es darum ginge! Na, ich könnte immer so weitermachen. Aber von Manstein würde mich aus meinem Loch holen. Von Manstein würde mir zeigen, wie man es hätte machen müssen! Und von der allerersten Seite an wusste ich, dass er auch für die Deutsche Wehrmacht einstehen würde. Sehen Sie, eine andere Sache, die mich wütend macht, ist, wie die ganze Welt den »deutschen Militarismus« verdammt, als hätten wir nicht einfach um Lebensraum gekämpft, ums Überleben! Was hätten, nur zum Beispiel, die Franzosen getan, wenn sie den letzten Krieg verloren und mit Blut, Boden und Geld hätten bezahlen müssen, Jahr für Jahr, während alle Nachbarn die Messer wetzten, um sich ein weiteres Stückchen Frankreich abzuschneiden? In Polen, heißt es, seien wir zu weit gegangen. Na, die Polen hätten sich Deutschland bis ganz nach Berlin einverleibt, wenn sie gekonnt hätten! Genau so argumentiert von Manstein in seinem Buch, das ich wirklich empfehlen kann. Er stellt die aggressive Machtpolitik der Polen bloß. Wer das liest, wird die Polen für immer mit anderen Augen sehen, garantiert. Jedenfalls, von Manstein kennt sich aus! Die Sieger können versuchen, ihn totzuschweigen, so sehr sie wollen, dafür bewundere ich ihn nur umso mehr. Wie ein großer Deutscher einmal sagte: Der Starke ist am mächtigsten allein.
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Nun, ich war mit diesem Buch eigentlich noch nicht weit gekommen. Ich war erst halb mit dem Polenfeldzug durch. Aber ich konnte schon sehen, dass mein
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