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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Familie vorzustellen, sagte Sigi: Bist du wahnsinnig das Haus unserer Mutter mit deinem Scheiß zu besudeln wenn du ihn dir in den Arsch stecken lassen willst dann mach das irgendwo in einem Scheißhaus du widerst mich an und dein Freund noch viel mehr ihr Schwuchteln ihr warmen Brüder ihr schwulen Säue …
    Hässlichere Worte hätte er nicht finden können. Offenbar hat te er das Gift seit Monaten oder Jahren im Mund gesammelt, um es jetzt auf einen Schwall auszuspucken.
    Leni sagte: Das ist doch nicht so schlimm eine Krankheit kann man behandeln der Pfarrer hat mir gesagt im Sarntal gibt es einen Arzt der weiß wie das geht wenn du willst geben wir deinem Freund auch die Adresse der wird sich freuen denn wer will schon krank bleiben und leiden wenn man seine Krankheit auch heilen kann …
    Sigi sagte, solche Typen wie euch müsste man kopfüber ins Klo stecken, und damit packte er Costa, der sehr viel schmächtiger war als er, schleifte ihn zum Klobecken und drückte seinen Kopf hinein.
    Lass ihn los, rief Ulli, und Sigi gehorchte, aber erst nachdem er die Spülung betätigt hatte.
    Lass mich, rief Costa und wand sich aus den Armen Ullis, der ihm aufhelfen wollte, stützte sich mit einer Hand auf den Fliesen ab und richtete sich, ohne ihm in die Augen zu sehen, die Haare uringetränkt, vom Boden auf.
    Ich verstehe nicht, warum ihr streiten müsst, sagte Leni, können wir denn nie einfach mal alle friedlich zusammen sein?
    Zwei Jahre waren Ulli und Costa schon ein Paar. Als ich sie zum ersten Mal miteinander sah, dachte ich: Gut, jetzt hat Ulli seinen wahren Bruder gefunden.
    Sigi dachte nicht nur wie ein Nazi, sondern war auch äußerlich der Typ, den sie propagiert hatten: blaue Augen, blondes Haar, rosafarbene Haut, ganz ähnlich wie ich. Costa dagegen hatte dunkle, sanft blickende Augen so wie Ulli und seine Mutter, die gleiche bernsteinfarbene Haut. Mediterrane Töne, von irgendeinem durchziehenden römischen Legionär in unseren Tälern hinterlassen, einem spanischen Söldner in Diensten des Kaisers vielleicht oder einem levantinischen Händler auf dem Weg zu den großen Städten im Norden. Ulli und Costa ähnelten sich, wie man es häufig bei Paaren sieht, die äußerlich so gut zusammenpassen, dass man sich sofort vorstellen kann, sie könnten ein Leben lang zusammenbleiben.
    Monatelang hatte Ulli mit dem Gedanken gespielt, ihn seiner Mutter vorzustellen. In Innsbruck, wo sie sieben Monate im Jahr zusammenlebten, brauchten sie sich nicht zu verstecken. Aber anders sah das in der Wintersaison aus, wenn Ulli Skipisten prä parierte und in unserem Städtchen festsaß. Costa war einige Male zu Besuch gekommen, fand die Atmosphäre aber zu bedrückend. Zu geleckt die Straßen, zu perfekt die Geranien vor den Fenstern, zu wenige Leute, die sich zu ihrer Homosexualität bekannten – niemand, um genau zu sein. Ulli hatte ihn nicht gedrängt, häufiger zu kommen, aber er litt unter der Trennung. Costa wäre gern nach Berlin gezogen, eine Stadt, die Ulli ebenfalls gefiel. Er war auch schon dort gewesen, konnte sich allerdings nicht vorstellen, so weit entfernt von seinen geliebten Bergen zu leben. Seit Jahren fragte ihn Leni nicht mehr nach Mädchen, aber dieses stillschweigende Zugeständnis war Ulli nicht mehr genug. Schon seit einer ganzen Weile träumte er davon, offen mit ihr zu reden und ihr Costa vorzustellen. Er würde ihr erklären, dass dieser Mann die Liebe seines Lebens sei, und sie würde es nicht nur hinnehmen, stellte er sich vor, sondern sich aufrichtig darüber freuen. Welche Mutter wünschte ihren Kindern nicht, den Partner fürs Leben zu finden?
    Ich hielt das für eine sehr schlechte Idee, Costa auf den Hof mitzubringen. Ich kannte doch Leni und vor allem Sigi. Eigentlich hätte ich Ulli warnen müssen. Aber es gab da ein Hindernis. Ich schämte mich so sehr für die Eifersucht, die Ullis Glück in mir weckte, dass ich mich verhielt wie viele Neidische, wenn ein Einwand gefordert wäre: Sie schweigen aus Angst, sich zu verraten. Und so hörte ich Ulli zu, der mir von seinen Plänen erzählte, ohne ihm meine Zweifel zu offenbaren.
    Was ich ihm hätte sagen müssen, bekam er dann von Costa zu hören, von jenem Menschen, mit dem er sein Leben teilen wollte und durch den er verstanden hatte, wozu er auf der Welt war. Aber er tat es, während er gleichzeitig »Hau ab!« sagte und dann für immer aus seinem Leben verschwand:
    »Du hättest mich nicht mit dorthin bringen dürfen.«
    Und Ulli selbst

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