Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme
während er neben dem Bett stand und sich ankleidete, in seinem neapolitanischen Dialekt zu ihr gesagt.
Sie lag auf der Seite, ihr nackter, üppiger Körper mit der glatten Haut sinnlich zu einem S auf dem Betttuch geschwungen, und blickte ihn jetzt verständnislos an.
Unter seinem Hemd schaute sein hängendes Geschlecht hervor, seine kurzen, mit gelockten schwarzen Haaren übersäten Beine steckten in Socken, die er die ganze Zeit nicht abgelegt hatte und von denen eine ein Loch aufwies.
Er nahm die Schultern zurück, drückte den Rücken durch, reckte das Kinn, deklamierte in einem Italienisch, das eines Mitglieds der Accademia della Crusca würdig gewesen wäre, die Übersetzung: »Du bist so schön, dass ich, sollte dir eine Flatulenz entweichen, sie ganz in mich aufsaugen würde.«
Sie fragte ihn nach der Bedeutung des Wortes Flatulenz, und als er es ihr erklärte, brach sie in Gelächter aus und lachte immer noch, als er bereits gegangen war.
Das war auch der Grund, weshalb Genovese bislang unge schoren davongekommen war. Weder war ein eifersüchtiger Ehe mann mit dem Messer auf ihn losgegangen, noch war er von einem Kameraden, dem er sein Südtiroler Fräulein ausgespannt hatte, zusammengeschlagen oder von seinen Vorgesetzten degradiert worden, denen er eigentlich ständig neue Gründe eben dafür lieferte. Denn so vulgär, verlogen, treulos und faul er auch sein mochte, so verstand er es doch bestens, seine Mitmenschen in gute Laune zu versetzen. Und deshalb war auch Gerda an diesem Morgen vergnügt, wenn sie daran dachte, dass Genovese sie abends wie so oft mit seinem Fiat Cinquecento zum Tanz abholen würde, einem Auto, das eher zu seinen als zu ihren Beinen passte.
»Mi piaci, ah!, Tuca, Tuca …« *, trällerte sie vor sich hin und swingte dabei mit Schultern und Hüften, während sie die Treppe zu den Speisekammern hinabstieg. Vor der Kühlkammer angekommen, warf sie sich den dicken Wintermantel über, betrat den Raum und nahm, immer noch singend, den halben Lammrumpf vom Haken, mit dem sie das Plat du jour zubereiten würde: Lammrippchen im Kräutermantel.
* »Du gefällst mir ah! Tatsch, tatsch.«
»Mipiàcimipiàcimipiàcimipiàcimipiàci« – in dem eiskalten Kühlraum wurde der Rhythmus des Liedchens sichtbar mit jedem Hauch, der vor Gerdas Mund gefror.
Ja, an diesem Tag war Gerda bester Stimmung.
Zum gleichen Zeitpunkt stand in einem Flur der Carabinieri-kaserne Genovese mit Vito zusammen und unterhielt sich mit ihm. Am Abend sei er verabredet, erzählte er ihm, doch habe sich jetzt gerade etwas Neues für ihn ergeben, etwas Neues namens Waltraud, auf das er ungern verzichten würde.
»Willst du mich nicht vertreten? Gerda ist ein sehr schönes froilèn , und du wirst mir noch danken, da kannst du sicher sein.«
Eigentlich hatte Vito keine Lust, an diesem Abend noch auszugehen, denn für den nächsten Morgen war er sehr früh zu einer Patrouille eingeteilt. Doch Genovese ließ nicht locker, so ein schönes blondes Mädchen könne man doch nicht ohne Verehrer sitzen lassen, erklärte er, das wäre eine Todsünde, und so kam es, dass Vito, fast schon aus Pflichtgefühl, sich schließlich einverstanden erklärte.
Wenn Gerda und Vito sich später gemeinsam daran erinnerten, wie sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, und ihre ersten Eindrücke voneinander verglichen, merkten sie, wie unterschiedlich sie diese Begegnung wahrgenommen hatten.
Als Vito sie sah, war sein erster Gedanke, das Weite zu suchen. Gelegenheit dazu hätte er gehabt, denn sie hatte ihn noch nicht als Genoveses Vertreter ausgemacht, ja sie wusste nicht einmal, dass er einen Ersatzmann geschickt hatte. Die ist zu schön für mich, dachte Vito. Nicht schön in dem Sinne, wie ein gesundes Mädchen mit einem wohlgestalteten Körper und einem ansprechenden Gesicht eben als schön gilt. Sondern so schön, dass es schmerzte, dass man sich nach ihr sehnte, selbst wenn sie direkt vor einem stand, so schön, dass man die Arme um sie legen und es einfach nicht zulassen wollte, dass ihr irgendetwas oder irgendjemand auf der Welt etwas zuleide tat.
Als Gerda ihn hingegen sah, oder genauer, den fremden Carabiniere in Uniform, der am Personalausgang auf sie wartete, ver spürte sie einen Krampf im Magen. Sicher war wieder etwas Schlimmes geschehen, und der Mann kam, um ihr die traurige Nachricht zu überbringen. Mit Peter konnte es diesmal nichts zu tun haben. Der war tot. Aber mit Eva. Was konnte geschehen sein?
Unterdessen hatte
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