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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Pause. Vito räuspert sich.
    Aber Mädchen in deinem Alter brauchen auch einen Vater, und wenn du willst, könnte ich so etwas für dich sein, sagen wir, eine Art Vater, der dich berät, dich tröstet, vielleicht sogar mit dir schimpft, wenn du etwas verkehrt gemacht hast. Vor allem aber ein Vater, der dich beschützt.
    Ich drücke die Stopptaste. Starre auf den Walkman. Drücke auf Rewind.
    … der dich berät, dich tröstet, vielleicht sogar mit dir schimpft, wenn du etwas verkehrt gemacht hast. Vor allem aber ein Vater, der dich beschützt.
    Rewind .
    … macht hast. Vor allem aber ein Vater, der dich beschützt.
    Rewind.
    … der dich beschützt.
    Rewind.
    … der dich beschützt.
    Rewind.
    … der dich beschützt.
    Rewind …
    Da sind Trauben, Zitronen, eine Frucht, die ich nicht erkenne. Mohn, Rosen, Orangenblüten. Hier und da ist zwischen Blüten und Früchten eine Putte zu erkennen. Wie lange liege ich schon auf dem Bett und starre auf den Fries, der sich die Wände entlangzieht? Ich habe keine Ahnung. Durch das Fenster beginnt ein gräulicher Schimmer einzusickern.
    Ich stelle ihn mir vor, den jungen Unteroffizier in Uniform, wie er an einem Tisch sitzt und ins Mikrofon des Kassettenrekorders spricht. Diese frische, liebevolle, wache Stimme. Sie war für mich da. Aber ich habe sie verloren.
    Ich habe Vito verloren.
    Ich habe ihn verloren, wie man auf der Kirmes verliert, weil man an der Bude nicht richtig zielt und mit dem Ball die Blechdosen verfehlt. Ich habe geworfen, aber nicht gewonnen und keinen Preis bekommen.
    Ich habe keinen Vater bekommen, weder als ich zur Welt kam noch danach mit Vito. Ich habe keinen Ehemann und keine Kinder bekommen. Ich habe weder Brüder noch Schwestern bekommen, mit denen ich das anstrengende Los hätte teilen können, Tochter dieser Mutter zu sein. Auch Ullis Liebe habe ich nicht gewonnen. Die Leute hatten recht, als sie auf seiner Beerdigung sagten, dass wir ihn verloren haben. Ich dachte, das stimmt nicht, aber so war es, auch Ulli habe ich verloren. Mein ganzes Leben lang werfe ich schon mit aus Flicken zusammengesetzten Bällen auf Blechdosen, ohne sie jemals zu treffen. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass mir so langsam die Bälle ausgehen.
    Ich strecke mich und fege dabei mit dem Arm das Packpapier vom Bett, in das die Kassette eingeschlagen war. Ich hebe es auf. Wie früher üblich, steht der Absender auf der Innenseite des Papiers. Über viele Jahre war die Schrift in direktem Kontakt mit der Kassette und ist dunkel geblieben. Die Handschrift sieht sehr ordentlich aus, soldatisch korrekt.
    ANANIA VITO, VIA BOTTEGHELLE 17, REGGIO CALABRIA.
    Die Seite mit der Anschrift des Empfängers ist hingegen verblichen. Man sieht, dass sie mehr Licht abbekommen hat.
    SIGNORINA EVA HUBER.
    Das Päckchen war an mich persönlich adressiert. Denn ich heiße Eva Huber. Dieser Name dort, das bin ich.
    Über der Anschrift quer ein roter Stempel:
    ANNAHME VERWEIGERT.
    Verweigert.
    Von wem?
    Wer hat die Annahme verweigert?
    Ich hebe den Blick zu dem Fries und erkenne jetzt die eine Frucht: Es ist ein Granatapfel.
    Sie war es. Sie hat dieses Päckchen zurückschicken lassen.
    Ein Päckchen, das an mich adressiert war, nur an mich, an Eva Huber, das bin nämlich ich, nicht sie, sie hat einen anderen Namen, sie ist jemand anderes, wir sind nicht ein und dasselbe, und doch hat sie es getan. Ich war sechzehn, und sie lässt den Briefträger die Stimme von Vito zurückschicken, von Vito, der »Ich will für dich da sein und dich beschützen« zu mir sagt.
    Ich hätte Vito nicht verlieren müssen. Er hätte mir nahe sein können. Es hätte alles anders sein können. Doch sie hat »verweigert« auf sein Päckchen stempeln lassen.
    Die Empörung nimmt mir den Atem.
    Jetzt ist mir alles klar.
    Es ist ihre Schuld. Es ist alles ihre Schuld. Alles, aber auch wirklich alles ist ihre Schuld.
    Ich verfluche den Tag, an dem ich geboren wurde, denn an diesem Tag wurde Gerda Huber meine Mutter.
    Ich gehe ins Bad und kippe mir kaltes Wasser ins Gesicht, ich bin müde, furchtbar müde, aber im Kopf so klar wie nie zuvor. Eine Wut, wie ich sie noch nie im Leben verspürt habe, presst mir mit eisernem Griff die Brust zusammen. Ich muss sie zur Rede stellen. Ich muss sie unbedingt zur Rede stellen.
    Nun ist es schon rosa- und orangefarben, das Licht, das durchs Fenster einfällt. Ein schöner Tag kündigt sich an.
    Zurück im Zimmer setze ich mich aufs Bett, lasse mich verbinden und wähle eine Nummer. Meine

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