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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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auch nicht die ersehnte Absolution aus. Sie wusste: Er würde wortlos davongehen, mit gesenktem Kopf, um nicht Gefahr zu laufen, doch einmal aufzuschauen zu den Fenstern, hinter denen er seine Tochter vermutete, die er nicht anerkennen wollte, wo in Wirklichkeit aber die Schwester Wirtschafterin Lieferantenrechnungen prüfte und die Köchin überlegte, was es zum Abendessen geben sollte.
    Während der Mercedes hinter der Ecke verschwand, fragte sich die Schwester Pförtnerin einmal mehr, was das nur für eine Verlockung sein mochte, die all dieses Leid wert sein sollte. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen.
    Der zweite Besuch, den Gerda erhielt, wurde ihr dagegen angekündigt.
    Als die Nonne Pförtnerin den Riegel zurückzog und ihr Herr Neumann gegenüberstand, fielen ihr seine geschwollenen Augen lider auf, der stattliche Bauch, der gegen die Knöpfe seines Jacketts drückte, und vor allem sein Alter. Sie war erleichtert, dass dieses blonde, gut gebaute Mädchen, das wenig redete, aber sehr fleißig in der Küche half und sich so anmutig bewegte, dass es allen, sogar ihr selbst, eine Freude war, dass dieses Mädchen nicht von diesem dicken Mann schwanger geworden war. Auch Herr Neumann hatte eine Bitte, und zwar wünschte er sich, wie er der Pförtnerin nun erklärte, dass Gerda an ihren Arbeitsplatz zurückkehren sollte. Niemand würde auf sie herabsehen wegen dieser Sache, die ihr passiert war, dafür garantiere er. Da tat es der Schwester Pförtnerin leid, dass sie diesen Mann nur nach seiner äußeren Erscheinung beurteilt hatte – als ob die Härchen an ihrem Kinn darüber Aufschluss gäben, wer sie selbst tatsächlich war. Streng tadelte sie sich im Geiste und erlegte es sich auf, ihrem Beichtvater auch diese arrogante Oberflächlichkeit zu gestehen.
    Als Gerda zur Pförtnerloge herunterkam, stockte Herrn Neumann der Atem, sodass die Knöpfe an seinem Jackett unter diesem zusätzlichen Druck abzuspringen drohten. Niemals, in seinem ganzen Leben, hatte er eine schönere Frau gesehen. Genau das hatte er zwar schon gedacht, als Gerda mit der umgebundenen Schürze seine Küche zum ersten Mal betreten hatte, sich dann aber den Gedanken verboten, um sich die Arbeit an ihrer Seite nicht unerträglich zu machen. Herr Neumann war seit fast dreißig Jahren nicht unglücklich verheiratet und hatte erwachsene Kinder und einige Enkelkinder. Darüber hinaus hatte er versprochen, Gerda vor Kränkungen zu schützen. Daher sagte er jetzt nur zu ihr:
    »Gerda gibs lai oane« – eine wie dich gibt’s nur einmal.
    Sie packte schnell ihren Koffer und stieg in den pistaziengrünen Fiat 1300 mit dem weißen Verdeck, von dessen Raten Herr Neumann mittlerweile über die Hälfte abgezahlt hatte. Während sie für immer die Opera Nazionale Maternità e Infanzia hinter sich ließ, nahm sie zwei Dinge von dort mit: eine fünfwöchige Tochter, die nie schrie, und beachtliche Fortschritte in der Beherrschung der italienischen Sprache. Eines jedoch ließ sie zurück: die Überzeugung, dass es die wahre Liebe gebe und dass sie dazu ausersehen sei, sie zu erleben.
    Als der Fiat 1300 um die Ecke entschwand, standen die Nonnen, also die Hebamme »Stern der Güte«, die Krankenschwester aus dem Süden und all die anderen, die dort den Mädchen beistanden, auf dem Gehweg und winkten ihr nach, glücklich, dass zumindest Gerda einen Platz gefunden hatte, wo sie erwünscht war.
    Am folgenden Morgen erschien die Schwester Pförtnerin zum wöchentlichen Gespräch mit dem Hausgeistlichen. Sie beich tete ihm all ihre Sünden. Dann machte sie sich auf den Weg zur Schwester Oberin und händigte ihr, mit Erleichterung und Bedauern, die Pinzette aus.

Km 295–715
    Ein Jahr nach dem Blutbad von Bologna im August 1980, in dem Sommer, als ich die Schule abschloss, war ich mit einem Klassenkameraden unterwegs zu den Tremitiinseln. Er gefiel mir nicht sonderlich, ich ihm umgekehrt aber schon, und deswegen hatte er seine Eltern, reiche Bozener Geschäftsleute, auch dazu überredet, mir ebenfalls die Reise und den Aufenthalt auf dem Campingplatz zu spendieren. Bis dahin hatte ich das Meer nur in Cesenatico gesehen, an einem Strand vor quadratischen Betonklötzen, die im Faschismus als Ferienkolonie errichtet worden waren: Denn das einzige Reiseunternehmen, bei dem meine Mutter buchen konnte, war die Caritas. So waren Ferien am Meer für mich mit dem säuerlichen Geruch von Tomatensoße verbunden, den herben Ausdünstungen zu vieler in einem Schlafsaal

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