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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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einem mit Fenchel, Kümmel und Koriander gewürzten Roggenmischbrot; Tirtlan mit Sauerkraut, Spinat und Kartoffeln. Von diesen Südtiroler Krapfen, heiß und knusprig serviert, konnten einige römische Aktentaschenträger nicht genug bekommen und ließen sich zweimal vorlegen.
    Ob sie mit diesem Nachschlag gut beraten waren, fragten sich diese Beamten aus dem Dickicht der italienischen Politik allerdings, als dann auf Tellern, die wie ein Gemälde von Paul Klee garniert waren, verschiedenste Knödel serviert wurden (mit Leber, Speck, Käse, Spinat), ebenso Spatzlan und Schlutzkrapfen auf Graukäsescheiben und roten Zwiebeln und schließlich eine Weinsuppe.
    Es folgten die Hauptgerichte, die Pièces de résistance im Küchenfranzösisch, ein passender Begriff, da viele Tischgenossen sich bereits wie an einer Kriegsfront fühlten, wo erschöpfte Verdauungssäfte den unaufhaltsam vorrückenden Nahrungsbataillonen einen heroischen Kampf lieferten: Kalbshaxe aus der Röhre, Lammrippchen im Kräutermantel, Greastl mit Lorbeeraroma, Hirschschulter auf Rotkohl und schließlich Gerdas Wiener Schnit zel mit köstlicher Heidelbeersoße.
    Die Beilagen sollten die Verdauung erleichtern: Spargel in Bozener Soße, Kresse- und Kohlrabisalat, Wacholdersauerkraut, Rösti aus Pustertaler Kartoffeln. Als man zu den Desserts kam, machte sich im Kreis der italienischen Regierungsbeamten, die in ihrer großen Neugierde nichts ausgelassen hatten, Niedergeschlagenheit breit. Das Fassungsvermögen ihrer Mägen war weit überschritten, und immer noch wurden Platten voller Leckereien aufgetragen. Als da waren: verschiedene Torten und Kuchen (aus Buchweizenmehl, mit Karotten, mit Waldfrüch ten oder Nüssen), Linzertorte, Buchteln , Apfelpuffer mit Vanillecreme und als Höhepunkt warmer Strudel mit Vanillesoße.
    Gerdas deliziöse Wiener Schnitzel (ihr Geheimnis: Bevor sie die Kalbfleischscheiben in Mehl und Semmelbrösel wendete und in überreichlich Butterschmalz briet, hatte sie das Fleisch eine halbe Stunde lang in Zitronensaft mit Majoran mariniert) hatten nicht nur den Gaumen der Mitglieder beider Delegationen entzückt, sondern auch eine Diskussion über ein historisches Thema an zwei Tischen, etwas entfernt von dem der Ehrengäste, entfacht. Dort speisten Vertreter der mittleren Ebene von Regierung, Bozener Christdemokraten und Südtiroler Volkspartei. Die Südtiroler hatten ihre Gesprächspartner mit ihrem vielleicht kantigen, aber fehlerlosen Italienisch überrascht, während es niemand aus der Regierungsdelegation, die für die Lösung des Südtirolkonflikts eingesetzt worden war, für nötig befunden hatte, auch nur ein Wort Deutsch zu lernen. Das Gespräch wurde also auf Italienisch geführt und verlief ungefähr folgendermaßen:
    »Wie eigentlich alle Spezialitäten, die man im Norden so kennt, haben sich die Österreicher auch panierte Koteletts in Italien abgeschaut.«
    »Wir mussten uns gar nichts abschauen. Auch bei uns wurde Fleisch schon immer paniert. Wie zum Beispiel das Wiener Backhendl, das nicht umsonst auch andernorts poulet frit à la viennoise genannt wird.«
    »Aber es ist doch bekannt, dass Radetzky das Wiener Schnitzel nach Wien gebracht hat. Auch wenn er die Mailänder wäh rend des Fünf-Tage-Aufstands mit Kanonen beschießen ließ, ihre panierten Koteletts hat er sich hervorragend munden lassen.«
    »Ach, das ist doch ein Ammenmärchen! Sowohl in Wien als auch hier in Südtirol wurde Fleisch schon Jahrhunderte auf diese Art zubereitet.«
    »Nun, was soll’s? Cotoletta alla Milanese oder Wiener Schnitzel? Das ist doch völlig gleich. Schließlich seid ihr längst auch alle Italiener!«
    (Statt einer Antwort: Schweigen, Kaugeräusche, verlegenes Räuspern …)
    Wer weniger als alle anderen aß, war der Obmann Magnago, der am Tisch der Ehrengäste saß. Aber auch der italienische Ministerpräsident neben ihm hielt sich zurück. Ein seltsamer Mann, dachte Magnago, während er beobachtete, wie dieser auf nervtötende Art mit den Bissen herumspielte, bevor er sie zum Mund führte: verschlossen, introvertiert, schaute seinem Gesprächspartner nie in die Augen, und wenn er lachte, wirkte es gequält. Die schweren Lider halb gesenkt, hörte der Ministerpräsident zu und wirkte dabei, als sei er in Gedanken ganz woanders. Er redete sehr leise und aufreizend langsam, als fehle ihm Schlaf, und seine Gesten und Bewegungen wirkten schlapp wie die eines Menschen, der schon als Kind beim Laufen ständig hingefallen ist, sich

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