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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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ausgesucht hatte, dachte Magnago, dass mit die sem nicht enden wollenden Mittagsmahl nicht nur die Aufnahme echter Verhandlungen über die Zukunft Südtirols gefeiert wurde. Zum Feiern gab zudem die Tatsache Anlass, dass sein Verhandlungspartner genau der richtige Mann dafür war: Aldo Moro.
    Als das Mahl beendet war, wuschen sich Herr Neumann, Gerda, Hubert, Elmar und das gesamte Küchenpersonal die Hände, rückten sich die weißen Kochmützen auf dem Kopf zurecht und stellten sich, unter den vor Stolz glänzenden Augen Frau Mayers, in einer Reihe im Saal auf, um die illustren Gäste zu begrüßen.
    Von Aldo Moro bekam Gerda kaum etwas mit. Weder begegnete sie seinem Blick, noch vernahm sie seinen Gruß. Später hätte sie nicht einmal zu sagen vermocht, ob seine Hand die ihre gestreift hatte. Als ihr aber Silvius Magnago die Hand gab, erkannte sie jenen hageren Mann wieder, den sie damals als kleines Mädchen auf der Burg Sigmundskron erlebte, wie ein Kapitän sein Schiff die riesige Menschenmenge steuernd. Seitdem waren gerade mal zehn Jahre verstrichen, aber jetzt sah er schon wie ein alter Mann aus. Dabei war es doch nicht der Obmann, dachte Gerda, den das Leben stärker verändert hatte, sondern sie. Und bei diesem Gedanken verspürte sie einen Stolz, der so durch und durch ging wie die scharfen Küchenmesser Herrn Neumanns durch ein großes Stück Fleisch.
    Nicht für alle war die Befriedung Südtirols, die sich jetzt abzuzeichnen begann, eine gute Nachricht. Wieder gab es Leute, die den Prozess zu behindern trachteten.
    Die Schlagzeilen in den Zeitungen lasen sich wie Kriegsbulletins:
    23. Mai 1966
    Anschlag auf das Revier der Guardia di Finanza
am PFITSCHER JOCH. Der polizist Bruno Bolognesi
erliegt seinen Verletzungen.
    24. Juli 1966
    Nächtlicher MP-Überfall auf drei Zollbeamte
in San Martino im Val Casies.
Die Finanzpolizisten Salvatore Gabitta
und Giuseppe D’Ignoti sterben.
Ein dritter, Cosimo Guzzo, wird schwer verletzt.
    3. August 1966
    Sprengstoffanschlag auf das Gerichtsgebäude
in Bozen.
    20. August 1966
    Sprengstoffanschlag auf das Büro
der Fluggesellschaft Alitalia in Wien.
    Sommer 1966
    Entsendung tausender Soldaten und Offiziere
sowie von Antiterror-Spezialeinheiten nach Südtirol. Straßensperren, Hausdurchsuchungen
und Festnahmen sind an der
Tagesordnung.
    September 1966
    An einer Straßensperre wird der achtzehnjährige Peter Wieland aus Olang getötet. Er war
der Aufforderung anzuhalten nicht nachgekommen. Seine Beerdigung wird zu einer Massendemonstration von MännerN, Frauen und Kindern.
    Es regnete in Strömen und wollte gar nicht mehr aufhören. Der Himmel des Jahres 1966 schien seine Reserven nicht erschöpfen zu können. Als habe er die Wassermassen über Jahre oder Jahrzehnte gespeichert, um sie dann alle auf einmal über die Menschheit zu ergießen. Florenz ging in den Fluten unter, überall in Italien rutschte die Erde zu Tal. Auch der Fluss durch Gerdas Heimatstädtchen war über die Ufer getreten, hatte Schlamm und Müll in den Häusern abgeladen, Teile der Straße fortgerissen, Brücken hinweggespült, Menschen getötet. Überschwemmt wurde auch eine Fabrik für Pralinen und Magenzucker, den speziellen rubinroten, aromatisierten Würfelzucker aus Südtirol, und tagelang schaufelten Helfer nach Zimt, Nelken und Bitterschokolade duftenden Schlamm aus den Hallen.
    Danach kam der Schnee. In dichten Flocken fiel er auf die kleine Stadt, und wieder hörte es nicht auf, es schneite und schneite, und durch die Luft schwebten sechseckige Kristalle, so groß wie Schmetterlinge. Es war erst Anfang Dezember, erster Advent, und die Kinder begannen schon zu glauben, dass es jetzt bis in die Ewigkeit schneien würde, bis zum Ende aller Tage, und die Erde dann ein einziger riesengroßer Schneeball wäre, aber wer konnte den noch werfen?
    Eine gedämpfte Stille lag über allem, verschluckte alle Geräusche: Die schneidenden Stimmen keifender Ehefrauen klangen stumpfer, das Schreien der Säuglinge war zu einem fast melodiösen Singsang verebbt, und das Grölen und Schimpfen der Betrunkenen, die aus den Wirtshäusern torkelten, hörte sich weniger schroff und fast schon gesittet an. Selbst das Rattern der mit schweren Schneeketten ausgerüsteten Militärfahrzeuge auf der Staatsstraße klang verhaltener, beinahe beschwörend. In der Nacht des 2. Dezember aber war es ein harter, nicht zu überhörender Knall, der die Stille zerriss: das Krachen einer Explosion.
    Von Anfang an hatte niemand so

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