Eva und die 40 Maenner - Roman
»Da war so etwas Blaues neben mir…«
»Ja, das war das Auto. Der Kerl hat behauptet, du wärst plötzlich zur Seite ausgeschert, er hätte gar keine Chance gehabt. Also ehrlich! Die Polizei war natürlich da, und es gibt ja Zeugen. Nils Fehrenberg zum Beispiel war direkt bei dir; er hat den Rettungswagen gerufen und alles organisiert, er ist erst vor einer Stunde weg, als Uli dann hier auftauchte.«
»Oh Gott«, murmelte Eva. »Nils. Wieso denn?«
Silke erzählte weiter: »Na, alle machen sich eben Sorgen und wünschen dir gute Besserung. Besonders Irmela wollte sofort herkommen, aber ich habe ihr gesagt, du bräuchtest Ruhe. In Ordnung?«
Die Tür ging auf, und eine Krankenschwester betrat den Raum.
»Sie sind also wieder unter den Lebenden«, sagte die Schwester trocken. »Na, dann lassen Sie mich doch mal sehen …« Sie machte sich daran, Blutdruck und Temperatur zu messen.
Silke nahm ihren Faden wieder auf. »Und natürlich hab ich in Möckern angerufen, musste ich doch. Nein, guck nicht so, entspann dich. Oliver wollte gleich kommen, aber ich hab ihn überreden können, das nicht zu tun. Was soll er denn hier, mitten in der Nacht? Und er hat ja auch kein Auto, mit der Bahn wird das doch nichts mehr heute.«
Eva warf der Freundin einen dankbaren Blick zu. »Danke für alles, Silke.«
Silke lächelte und tätschelte ihr den Arm. Die Krankenschwester war mittlerweile fertig und verschwand ohne ein weiteres Wort.
»Dieser Fred hatte angerufen, zum x-ten Mal«, sagte Eva in den Raum hinein.
Da ging erneut die Tür auf. Es war der Stationsarzt in Begleitung von Uli. Doktor Vessen, ein kleiner, knubbeliger Endvierziger mit einer sehr jovialen Art, leuchtete ihr mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen und verkündete dann das Untersuchungsprogramm für den nächsten Tag. Eva ließ sich erklären, was es mit ihrer Schulter auf sich hatte und begriff zumindest so viel, dass sie ausgerenkt gewesen war und morgen geklärt werden musste, ob ein kleiner operativer Eingriff nötig war, um den Knorpel am Gelenk zu reparieren.
Nach dieser Erklärung blieb Dr. Vessen jedoch neben dem Bett stehen und begann zu plaudern, sodass Eva sich nach einer Weile fragte, ob das, was sie über den katastrophalen Ärztemangel in deutschen Krankenhäusern immer so las, nicht vielleicht völlig übertrieben war. Dr. Vessen jedenfalls schien sonst nichts weiter zu tun zu haben, als diese eine Patientin nicht aus den Augen zu lassen. Als er irgendwann endlich abgerufen wurde, verabschiedete er sich mit offensichtlichem Bedauern.
Als die Tür hinter dem Doktor zufiel, grinste Silke. »Da hast du ja sofort einen an Land gezogen«, stellte sie anerkennend fest. »Kennst du ihn zufällig, Uli? Können wir ihn Eva empfehlen?« Und sie kicherte ein wenig, ohne den muffeligen Blick ihres Gatten zu beachten.
Der ging nicht auf sie ein und gefiel sich stattdessen darin, Eva weitere ärztliche Anweisungen zu geben, was Schlafen, Essen und sich nicht Aufregen anging – bis Eva genug hatte und beide Breitlings freundlich, aber bestimmt nach Hause schickte. Sie fühlte sich erschlagen und müde, und ihr Kopf schmerzte. Ihre Schulter auch, aber immer wenn sie darüber nachdachte, tat der Kopf noch mehr weh, also klammerte sie die Schulter aus. Als sie die Augen schloss, spürte sie eineweitere Irritation, diesmal im Bauchraum. Hatte sie doch innere Verletzungen, die die Plaudertasche Dr. Vessen übersehen hatte? Doch dann merkte sie, dass es Hunger war. Kein Wunder, seit dem Mittagessen hatte sie keinen Bissen mehr in den Magen bekommen. Kurz überlegte sie, die Schwester um einen Apfel oder irgendeinen Rest vom Abendessen zu bitten, aber dann ließ sie die Idee fallen. Essen war anstrengend … sie wollte nur liegen und schlafen.
Doch die Szene vom Nachmittag – das Fahrrad, das sie auf die Straße schob, das Handy … ja, sie hatte es in die Jackentasche gesteckt … und dann der blaue Blitz – tauchte plötzlich vor ihrem inneren Auge auf wie ein unabsichtlich eingeschaltetes Video. Sie musste den Lenker verrissen haben, ein wenig zu weit auf die Fahrbahn geraten sein. So ein Mist! Sie war offensichtlich aufgeregter gewesen, als sie gedacht hatte. Kirstens Ausbruch hatte sie beschäftigt, kurz davor hatte sie mit Nils noch gelacht, es hatte sich gut angefühlt, und dann … Wie durcheinander und traurig Kirsten gewesen war, sie musste sehr verliebt sein. Die Arme – sie hatte sich einfach den Falschen ausgesucht. Nils Fehrenberg war
Weitere Kostenlose Bücher