Eva und die Apfelfrauen
keine zu geben.
Ihr Job wartete in Berlin.
Falls Rechenberger kam, würden sie das Haus verlieren.
Wenn er nicht kam, würden sie es verkaufen.
Eine Fernbeziehung mit Loh schien illusorisch. Sie würde sich ein Auto kaufen müssen, und er würde sich niemals jedes Wochenende für sie freinehmen können. Also verdrängte Eva ihre Gedanken. Die Stunden verrannen, während sie jeden Augenblick auskostete, sich an der Gegenwart erfreute und versuchte, die Zukunft zu vergessen.
Sie und Loh unternahmen viel. Sie fuhren zu einem klassischen Konzert ins Kloster Lehnin, wo gleichzeitig ein groÃer Kürbismarkt stattfand. Erst versanken sie in den Klängen von Brahmsâ Musik, dann, auf dem Markt, stand Eva vor Dutzenden von Samentütchen und musste sich zurückhalten, von jeder Sorte nicht wenigstens eines zu kaufen. Wofür brauchte sie den Ãlkürbis, Sultans Hut, Rondini oder den Butternusskürbis? Für ihren Balkon? Das war lachhaft. Kürbisse wuchsen am besten auf einem groÃen Komposthaufen, wo ihre groÃen Blätter den Untergrund beschirmten und von wo aus ihre Ranken langsam durch den Garten wanderten. Seufzend legte sie die Tütchen wieder zurück.
Sie machten ein Picknick bei den Galloways, unter einer Eberesche, deren Beeren sich in der Spätsommersonne leuchtend rot verfärbt hatten. Einmal musste Loh aufstehen, um zwei neugierige Kälber wegzuscheuchen. Mit ihren dunklen, feuchten Mäulern waren sie der Gemüsequiche und dem Rosé zu nahe gekommen.
Die Kälber waren über den Sommer mächtig gewachsen, aber immer noch deutlich kleiner als ihre Mütter. Sie wurden mit viereckigen gelben Ohrmarken gekennzeichnet, mit denen sie wie überdimensionale Steiff-Tiere aussahen. Eva beobachtete, mit welcher Ruhe Loh dabei vorging, um sie nicht zu verschrecken. Inzwischen wusste sie, dass er auf die Zutraulichkeit der Tiere angewiesen war, auch wenn der Tierarzt oder der Schlachter kamen. Ungern dachte Eva daran, dass Loh im Herbst vier Kühe schlachten lassen wollte, doch sie verstand auch, dass er von etwas leben musste. Wenigstens hatten es die Galloways bis zum letzten Moment auf der groÃen Weide mit dem Unterstand und dem angrenzenden Wäldchen schön.
GenieÃt die Wiese, solange ihr sie noch habt, dachte sie bei einem ihrer Spaziergänge zur Weide, und meinte sich selbst damit.
Mitte September fand das Erntedankfest in Wannsee statt. Die Anhänger hinter den Traktoren waren mit Blumen, Früchten und Getreide geschmückt worden. Die Bauern fuhren die DorfstraÃe einmal hoch, wendeten auf einem abgemähten Feld und zuckelten langsam zurück. Loh beteiligte sich nicht am Umzug.
» Das habe ich noch nie gemacht « , sagte er kurz angebunden, als Eva ihn fragte.
Nach dem Umzug gab es, genau wie im Juni, ein Fest auf dem Kirchplatz. Als Pfarrer Lobetal und seine kleine Schar nach dem Erntedankgottesdienst aus der Kirche traten, war es bereits in vollem Gang.
Eva und Loh gingen zusammen hin. Immer wieder kamen Leute an ihren Tisch und setzten sich zu ihnen. Eva spürte, dass sich etwas geändert hatte. Beim letzten Fest war sie » eine von den Frauen aus der Stadt « gewesen. Jetzt war sie » die, die mit Loh, dem Biobauern, gekommen war « . Wie damals tanzten sie zu deutscher Schlagermusik, die ihnen beiden nicht gefiel. Einmal, als sie gerade an Gandalf und Dani vorbeitanzten, glaubte Eva so etwas wie Besorgnis im Blick des Hobbyknechtes zu sehen. Oder sogar Mitleid.
Aber am meisten gefiel Eva, dass sie Loh nichts erklären musste. Er verstand, dass sie die Eulenfedern der Lady sammelte und was sie am Gehäuse der Gallwespe auf dem Eichenblatt faszinierend fand. Gemeinsam beobachteten sie die Störche, die sich in weiten Schleifen in den Himmel schraubten, um zu ihrer langen Reise nach Afrika aufzubrechen.
» Die Eltern geben ihnen in den letzten Tagen, bevor sie flügge werden, weniger zu essen « , sagte Loh. » Wusstest du das? «
» Nein. Warum das denn? «
» Weil sie das Nest bereitwilliger verlassen, wenn sie Hunger haben. «
Eva fragte sich, ob sie womöglich auf Nulldiät gehen sollte, um Annas Haus leichter verlassen und nach Berlin zurückkehren zu können.
Loh schaute nicht erstaunt, als sie eines Tages von einem Spaziergang mit einem groÃen Korb Pilze zurückkehrte, deren Namen sie nicht kannte, aber die sie bestimmen wollte. Er half ihr,
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